Römischer Lorbeer
sich die Statue bewegen und zu mir sprechen. Sie
blinzelte - oder ich blinzelte und ein ahnungsvoller Schauer
durchfuhr mich. Ich war nicht allein.
Doch es war nicht die
Göttin, die sich zu mir gesellt hatte. Die Stimme in meinem
Rücken war ausgesprochen männlich. »Geht das schon
wieder los!«
Ich drehte mich um und
sah auf der flachen Bühne einen Mann in einer Toga stehen. Bei
unserer letzten Begegnung war er nackt gewesen.
»Jedes Jahr
dasselbe.« Clodius zuckte die Schultern und verzog das
Gesicht. »An Clodias Stelle würde ich mich beschweren,
aber vermutlich ist meine Schwester zu fasziniert von den Galloi,
um ihnen den Spaß zu verderben. Und es ist nur einmal im
Jahr.«
»Was ist nur
einmal im Jahr?«
»Das Fest der
Großen Mutter natürlich. Der Tempel der Kybele ist
gleich dort drüben«, sagte Clodius und wies hinter sich.
»Das Haus der Galloi ist gleich nebenan. Vor dem Fest tun sie
tagelang nichts anderes als üben, üben, üben.
Für römische Ohren klingt das Ganze hoffnungslos
schräg und dissonant, nicht wahr? Und der Gesang - ein
ziemliches Gejammer. Aber ich würde vermutlich auch jammern,
wenn man mir die Eier abgeschnitten hätte.« Er sprang
von der Bühne auf die Wiese und schlenderte auf mich zu.
»Weißt du, es ist wirklich albern, aber ich habe deinen
Namen vergessen.«
»Gordianus.«
»Ach ja. Clodias
neuer Mann, der das Material gegen Marcus Caelius besorgt. Viel
Arbeit gehabt?«
»Genug.«
»Clodia ist im
Moment nicht da. Sie hat irgendwas zu erledigen. Das hätte der
Türsklave dir sagen sollen. Er wird langsam
alt.«
»Er hat
tatsächlich etwas in der Richtung gesagt. Aber Chrysis hat
vorgeschlagen, ich solle hier warten.«
»Ich verstehe. O
ja, summt, heute sollte das kleine Drama in den Bädern des
Senia über die Bühne gehen. Wie ist es
gelaufen?«
»Deshalb bin ich
hier. Um Clodia Bericht zu erstatten.«
Er starrte mich mit
seinen grünen Augen an, die denen seiner Schwester auf
geradezu unheimliche Weise ähnelten. »Und? Was ist
passiert?« Als ich zögerte, sah er mich finster an,
obwohl ich den Ausdruck in seinem Gesicht nicht zu deuten
wußte. Täuschte er kindlichen Trotz vor, oder war er
ernsthaft wütend? Seinem guten Aussehen tat seine grimmige
Miene indes keinen Abbruch. »Oh, ich verstehe«, sagte
er. »Du sollst Clodia Bericht erstatten, nicht mir. Es
heißt, du wärst ein loyaler Typ, was heutzutage in Rom
selten genug ist. Aber meine Schwester und ich haben keine
Geheimnisse voreinander. Überhaupt keine. Und ich will hoffen,
daß du nichts vor mir zu verbergen hast, Gordianus. Ich habe
jedenfalls bestimmt nichts vor dir zu verbergen.« Er warf mir
einen wissenden Blick zu. Als ich nichts sagte, lachte er.
»Das war ein Witz. Darüber, was ich am Tag unseres
Kennenlernens getragen habe.« Er schüttelte den Kopf.
»Sie meinte auch, du hättest keinen
Humor.«
»Ihr scheint
euch ja lang und breit über mich ausgelassen zu
haben.«
»Meine Schwester
möchte immer gern meine Meinung über die Männer
hören, mit denen sie zu tun hat. Und fürwahr: einen guten
Rat kann sie immer brauchen! Wenn es darum geht, wem man trauen
kann, hat Clodia nicht immer die beste Menschenkenntnis bewiesen.
Wie etwa im Fall von Marcus Caelius, was uns wieder zu den
Bädern des Senia bringt. Wie ist es gelaufen? Komm, wir setzen
uns auf die Bank im Schatten, und wenn wir Glück haben, kommt
Chrysis vorbei, und ich schicke sie, um Wein zu
holen.«
Als wir Platz nahmen,
bemerkte ich, daß ein weiterer Mann auf die Bühne
getreten war, ein Riese, dessen Gesicht in der Sonne glänzte
wie Ebenholz. Er lehnte sich mit verschränkten Armen an die
bemalte Wand und beobachtete uns aus der Ferne. Er war unglaublich
häßlich, mit einem Stiernacken und gewaltigen Armen.
Neben ihm hätte Belbo ausgesehen wie ein Kind. Er
kräuselte verächtlich die Lippen, und mir gefror das Blut
in den Adern.
Clodius bemerkte meine
Reaktion und sah sich um. »Das ist ein Äthiopier. Clodia
hat ihn mir letztes Jahr geschenkt. Folgt mir überall hin und
paßt auf mich auf. Genauso loyal wie du. Vor ein paar Monaten
ging einer von Milos Männern auf dem Forum mit gezücktem
Messer auf mich los. Er hat den Äthiopier gar nicht kommen
sehen - laß dich von seiner Größe nicht
täuschen, er ist blitzschnell. Er hat den Burschen von hinten
gepackt und ihm beide Arme gebrochen, einfach so.« Clodius
schnippte zweimal mit den Fingern. »Seitdem hat mich nie
wieder jemand auf dem Forum bedroht. Aber
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