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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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würde ich dir raten, ihm einen ordentlichen
Kinnhaken zu verpassen. Er ist kein Kämpfer. Seine Waffe ist
die Zunge. Er ist gut darin, sich Schmähungen und Gedichte
auszudenken, aber sonst taugt er wenig, sagt meine … sagen
Leute, die es wissen müssen. Diese Häppchen haben mich
noch hungriger gemacht, und die Sonne steht schon tief. Ich gehe
erst, wenn ich Clodia gesehen habe. Bleibe und nimm ein
anständiges Mahl mit mir ein.«
    Ich
zögerte.
    »Wie gesagt, sie
könnte jeden Moment auftauchen. Sie wird haargenau wissen
wollen, was in den Bädern passiert ist, und zwar aus deinem
Mund. Wenn ich es ihr erzähle, werde ich bloß wütend
oder muß an den falschen Stellen lachen.«
    Sklaven räumten
den Wein und das Gebäck ab. Ich bat einen von ihnen, Belbo aus
der Halle zu holen. Er kam die Treppe heruntergestapft und blickte
mit angemessener Ehrfurcht zu der Venus-Statue auf. Dann entdeckte
er den Äthiopier. Beide Männer spannten ihre Schultern
an, blähten die Nüstern und beäugten sich
mißtrauisch.
    »Ja,
Herr?«
    »Bring Bethesda
eine Nachricht«, erklärte ich ihm. »Sage ihr,
daß ich heute auswärts esse.«
    »Hier,
Herr?«
    »Ja, hier in
Clodias Haus.« Ich zuckte innerlich zusammen, als mir
bewußt wurde, wie das in Bethesdas Ohren klingen mußte.
Wenn sie nur wüßte, daß ich, begleitet von
Eunuchen-Gesang, alleine mit einem anderen Mann dinierte, mit einem
äthiopischen Riesen als Anstandsdame noch dazu!
    »Soll ich
später zurückkommen, Herr?«
    Bevor ich antworten
konnte, hob Clodius die Hand. »Das wird nicht nötig
sein, Gordianus. Ich werde zusehen, daß du sicher nach Hause
kommst.«
    Er sah mich mit
kühlem Blick an, als wollte er mich zu einer
Mißtrauensbekundung provozieren. Ich zuckte die Schultern und
nickte. »Du brauchst nicht wiederzukommen, Belbo«,
sagte ich. »Ich finde schon allein nach
Haus.«
    Belbo bedachte den
Äthiopier mit einem letzten argwöhnischen Blick, bevor er
sich umdrehte und die Treppe hochstieg, den Hals gereckt, um die
Venus in ihrer vollen Schönheit bewundern zu
können.
    *
    Die Dämmerung
senkte sich über den Garten. Mit einem wilden Crescendo aus
Tamburinschlägen und schrillem Flöten kam der Gesang der
Galloi zu einem abrupten Ende. Anschließend herrschte
feierliche Stille.
    »Nun«,
meinte Clodius, »ich nehme an, selbst Galloi müssen
essen. Es ist ein warmer Abend. Sollen wir hier
draußen im Garten speisen, nachdem der
Lärm jetzt endlich vorbei ist?« Ich stimmte
zu.
    Sofas und Lampen
wurden hinausgetragen. Das Essen war schlicht, aber köstlich.
Offenbar umfaßten Clodias Genüsse auch solche, die einem
nur ein exzellenter Koch bereiten konnte. Es war ein Mahl, das man
langsam und bei einem entspannten Gespräch genießen
mußte.
    »Die
Galloi!« sagte Clodius, während er geräuschvoll
seine Fischsuppe schlürfte. »Was weißt du
über den Kult der Kybele, Gordianus?«
    »Nicht viel. An
den Tagen, an denen sie offiziell betteln dürfen, sehe ich die
Galloi manchmal auf den Straßen. Ich habe die Anrufungen
Kybeles beim Fest der Großen Mutter gehört. Und ich habe
natürlich Trygonion, den Freund deiner Schwester,
kennengelernt. Aber so etwas wie die Musik heute nachmittag habe
ich noch nie in meinem Leben gehört.«
    »Den Kult gibt
es schon sehr lange in Rom, doch die meisten Leute scheinen nicht
viel darüber zu wissen. Wie Kybele überhaupt bis nach Rom
kam, ist eine interessante Geschichte.«
    Der Wein und das Essen
hatten mich entspannt. Es gelang mir sogar fast, die bedrohliche
Anwesenheit des Äthiopiers zu vergessen, der mit
verschränkten Armen auf der Bühne stand und uns beim
Essen zusah.
    »Es geschah in
den Tagen, als Hannibal durch Italien zog und ihn scheinbar niemand
aufhalten konnte. Das Kollegium der Fünfzehn Priester
konsultierte die sibyllinischen Bücher und fand ein Orakel:
Wenn sich ein Eroberer in Italien festsetzt, könnte er nur
vertrieben werden, wenn die Große Mutter-Göttin aus
ihrem Schrein in Phrygien nach Rom gebracht würde. Zu jener
Zeit regierte in Phrygien König Attalus, zum Glück ein
Verbündeter Roms. Trotzdem mußte auch die Göttin
selbst noch befragt werden. Als ihre phrygischen Priester ihr die
Frage stellten, ließ sie die Erde erbeben und erklärte:
›Laßt mich gehen! Rom ist ein würdiger Ort
für jede Gottheit!» Also willigte König Attalus
ein, Rom die Statue der Kybele zu schenken, zusammen mit einem
großen schwarzen Felsen, der zu Anbeginn der Zeit vom Himmel
gefallen war und die Menschen

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