Römischer Lorbeer
Metella
mitgenommen.«
»Ihre
Tochter?« Es fiel mir schwer, mir Clodia als Mutter
vorzustellen, und noch schwerer, mir auszumalen, wie ihre Tochter
wohl war.
»Meine liebe
Nichte. Eigensinnig wie ihre Mutter. Aber auch genauso schön.
Und sie bewundert ihren Onkel.«
»Wie ihre
Mutter?«
Er nahm ein
Kümmelplätzchen. »Vielleicht nicht gar so sehr.
Verdammt, jetzt singen sie wieder!«
»Ich glaube, ich
fange langsam an, mich daran zu gewöhnen«, sagte ich.
»Die eine Phrase, die sie immer wiederholen, klingt doch
recht hübsch. Da, die Stelle meine ich.« Die Musik trieb
über unsere Köpfe hinweg.
Clodius lachte und
schüttelte den Kopf. »Paß auf, sonst
verspürst du als nächstes den unwiderstehlichen Drang,
nach Phrygien zu laufen und dir die Eier abschneiden zu
lassen.« Er goß seinen Becher wieder voll und bestand
darauf, auch mir noch einmal nachzuschenken.
Der Wein breitete sich
wohlig warm in meinem Körper aus. »Wo ich gerade hier
bin, sollte ich dich etwas fragen«, sagte ich.
»Nur
zu.«
»Vor ein paar
Tagen war ich nach Einbruch der Dunkelheit noch unterwegs und
bemerkte, daß mir jemand folgte. Ich glaube, ich habe
denselben Mann gestern vor meinem Haus gesehen, und heute hat er
mich in den Bädern angesprochen. Ich dachte, er wäre
einer von Clodias Männern, aber ich habe mich geirrt. Du
weißt nicht zufällig etwas
darüber?«
Ȇber einen
Mann, der dir folgt? Nein.«
»Du scheinst
sehr besorgt um die Sicherheit deiner Schwester. Ich dachte, du
hättest vielleicht -«
»Du meinst, ich
hätte dich beschatten lassen? Einen ›Mietling‹
meiner Schwester? Sei nicht albern. Ich biete Clodia meinen Rat an,
wenn sie darum bittet, aber sie hat Umgang, mit wem sie will. Ich
kontrolliere weder ihre Bekannten noch ihre Freundinnen oder
Liebhaber. Wie sah der Bursche denn
aus?«
»Jung - noch
nicht ganz dreißig, würde ich sagen. Mittelgroß.
Schlank, dunkel, Stoppelbart, und er ist eben erst von einer Reise
zurückgekehrt; vielleicht war er in den Bädern, um sich
rasieren zu lassen. Irgendwie gutaussehend. Seine Augen - sie haben
etwas, etwas fast Tragisches an sich. Aber heute in den Bädern
wirkte er alles andere als traurig. Er hat eine scharfe
Zunge.«
Clodius sah mich
neugierig an. »Hat er dir seinen Namen
genannt?«
»Nein, aber ich
habe gehört, wie ihn jemand -«
»Catull«,
sagte Clodius.
»Woher
weißt du das?«
»Es gibt nur
einen Gaius Valerius Catull. Er ist demnach schon
zurück?«
»Seinem Freund
gegenüber erwähnte er etwas von einem Regierungsposten im
Osten, den er frühzeitig verlassen
hätte.«
»Ich
wußte, daß er es hassen würde. Catull liebt Rom
einfach zu sehr. Wie alle diese Bürschchen vom Lande, wenn sie
erst einmal auf den Geschmack der Großstadt gekommen
sind.«
»Er ist kein
gebürtiger Römer?«
»Wohl kaum. Er
stammt von irgendwo aus dem Norden; Verona, glaube ich. Clodia hat
ihn in dem Jahr kennengelernt, als Quintus Statthalter im
Cisalpinischen Gallien war und sie dort oben
festsaßen.«
»Dann gibt es
also eine Verbindung zwischen Clodia und diesem
Catull?«
»Zumindest gab
es sie mal. Aber das war schon vorbei, als Catull Rom im letzten
Frühjahr verlassen hat. Von Clodias Seite aus jedenfalls. Du
meinst, er wäre dir gefolgt?«
»Ja. Hast du
eine Ahnung, warum?«
Clodius
schüttelte den Kopf. »Er ist ein seltsamer Typ. Schwer
zu durchschauen. Er interessiert sich überhaupt nicht für
Politik; hält sich für einen Dichter. Clodia hat das auch
geglaubt; die Hälfte seiner Gedichte handeln von ihr. Frauen
stehen auf solchen Mist, vor allem bei Idioten wie Catull. Er ist
der Typ, der das Leiden aus Liebe anbetet; das materialisierte
Leiden sozusagen, und auch noch verbittert darüber ist. Ich
kann mich noch erinnern, wie er unter dem Mond eines warmen
Sommerabends auf dieser Bühne stand und, begleitet vom Zirpen
der Zikaden, seine Gedichte vorgetragen hat, umringt von
schönen jungen Dichtern und ihren verträumten
Bewunderern. Er lullte sie mit Worten wie Honig ein, bevor er im
Topf rührte und ihnen die Würmer am Boden zeigte. Ein
selbstgerechtes, an allem leidendes Lästermaul. Er hat sogar
ein Gedicht über mich
gemacht.«
»Ein
Gedicht?«
Clodius nickte mir zu.
»Na ja, es war nicht besser als die Spottverse, die Milos
Leute auf mich singen, aber um einiges gemeiner. Er ist also
zurück! Ich nehme an, Clodia wird früh genug von ihm
hören. Wenn du ihn noch einmal dabei erwischst, daß er
dich verfolgt,
Weitere Kostenlose Bücher