Roemisches Roulette
Ich wühlte mich durch Ordner mit der Aufschrift
Gemeinsame Konten, Lebensversicherung
und
Kapitalanlagen.
Schließlich fand ich ganz hinten das, wonach ich gesucht hatte:
Persönliches Konto.
Genauso wie ich hatte auch Nick sein eigenes Konto bei der ‘Lincoln Park Savings & Loan’-Bank. In seinem Büro bewahrte er die Kontoauszüge der letzten sechs Jahre auf, wenn nicht sogar noch länger zurück. Als ich mich den Ausdrucken vom Frühling und Sommer des vorvergangenen Jahres näherte, schlug mir das Herz bis zum Hals. Jeder Schlag erschütterte meinen gesamten Körper.
Ich fand den Auszug für den Februar jenes Jahres. Dann März und April. Plötzlich machten Nicks sorgfältige Aufzeichnungen einen Sprung zum August. Nick ordnete immer alles sorgfältig nach Daten. Niemals hätte er drei Monate einfach so ausgelassen. Ich sackte in mich zusammen und fühlte mich auf einmal den Tränen nahe. Doch ich schluckte tapfer und blätterte die Seiten noch einmal durch, eine nach der anderen, aber die Belege fehlten nach wie vor. Ausgerechnet die Auszüge der Monate, in denen auf Kits Konto stattliche Geldbeträge eingegangen waren, und zwar alle von einem Konto der Lincoln Park Savings & Loan.
Fahrig durchblätterte ich die Ordner wieder und wieder. Ein kleiner Teil meines Gehirns krallte sich krampfhaft an die winzige Hoffnung, dass alles ein Irrtum war.
Wenn ich doch nur diese Bankbelege finden würde. Wo sind sie? Wo zum Teufel sind sie? Nick, was hast du getan?
Doch in Wahrheit kannte ich die Antwort auf all diese Fragen längst. Und zwar mit einer Sicherheit, die irgendwo tief in meinem Innern entsprang und sich langsam bis zur Oberfläche ausbreitete.
Viele verschiedene Gedankenfetzen kamen mir in den Sinn. Indizien, wie Sharon Pate sie immer nannte; Puzzleteile, die ich noch vor kurzer Zeit nie und nimmer zusammengesetzt hätte.
Ich dachte daran, wie Nick mir erzählt hatte, er habe die Frau in einem Restaurant in Napa getroffen. Ich war davon ausgegangen, dass sie dort kellnerte, und er hatte mich in dem Glauben gelassen.
Ich dachte an die drei oder vier Monate nach Nicks Geschäftsreise, in denen Kit sich nie auf meine Anrufe gemeldet hatte.
Ich dachte daran, wie Kit mich ermutigt hatte, Nick zu vergeben. Sie war die Einzige gewesen, die seine Untreue weder überraschte noch erschütterte.
Ich dachte an Nicks Unbehagen, als er von meiner Romreise mit Kit erfuhr.
Ich dachte daran, wie sie nach unserer Rückkehr seinen Blick gemieden hatte.
Ich dachte an den Abend auf dem Balkon; daran, wie Nick bei dem Wort
Erpressung
in Rage geraten war. “Du erpresst sie?”, hatte er ungläubig gefragt. Dann war er auf sie losgegangen.
Ich dachte daran, wie schnell Nick mir verziehen hatte – zu schnell und bereitwillig für einen Mann, dessen Frau durch ein fremdes Bett gehüpft war. Selbst wenn dieser Mann sich zuvor selbst herumgetrieben hatte.
Außer vielleicht er hatte es mit ihrer besten Freundin getrieben.
Nun fing ich an zu weinen. Ich konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Bächen gleich strömten sie mir die Wangen hinab, und ich winselte wie ein verwundetes Tier.
Ich begann, die Bankauszüge aus dem Ordner zu reißen und über den Boden zu verteilen. Dann durchsuchte ich die Unterlagen vom Vorjahr, doch ich war blind vor Tränen, und meine Finger wollten keine präzisen Bewegungen mehr ausführen. Ich warf den Ordner durchs Zimmer. Das Geschrei in meinem Kopf kehrte zurück – der schrille, andauernde Schrei einer Frau – vielleicht mein eigener. Weinend fuhr ich fort, den Fußboden komplett mit weißen Blättern zu bedecken, und hörte erst auf, als ich es geschafft hatte.
Als ich aufsah, stand Nick in der Tür. Und in diesem Moment, begriff ich. Ich zog eine Schlussfolgerung, gegen die ich mich die ganze Zeit gewehrt, die ich weggeschoben hatte.
“Du hast sie umgebracht”, sagte ich.
Nick betrachtete die Zettel, die im gesamten Raum herumlagen. Dann sah er mich an. “Was geht hier vor?”, fragte er. Meine Aussage ignorierte er.
Ich sprang vom Stuhl auf und ging auf Nick los, genauso wie er es an jenem Abend mit Kit gemacht hatte. Ich warf mich auf ihn und umklammerte mit beiden Händen seinen Hals.
“Rachel, hör auf!” Er sprengte meinen festen Griff und stieß mich weg.
“Pass auf! Das Baby!”, schrie ich. Für einen Moment hatte ich es selbst vergessen.
“Herrgott noch mal, du hast mich gewürgt!” Nicks Gesicht war rot.
Ich schlang die Arme um meine Taille. “Du
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