Roemisches Roulette
war.
“Tut mir leid”, sagte ich, “leider gar nicht.” Dann legte ich ein paar Euro auf den Tisch und stand auf. “Entschuldigen Sie, aber ich muss los.”
Der Mann deutete eine Verbeugung an und ich zögerte einen Augenblick. Dann verschwand ich in die laue römische Nacht, ohne mich noch einmal umzudrehen.
Als ich die Tür zu unserem Zimmer öffnete, bemerkte ich gleich, dass Kit noch nicht da war. Ich fragte an der Rezeption nach Mitteilungen. Nichts. Weder von meinem Mann noch von Kit.
Also wählte ich Nicks Handynummer. Wieder nur die säuselnde Ansage. Ich rief zu Hause an. Keine Antwort.
Ich schlüpfte zwischen die kühlen weißen Laken und wartete darauf, dass der Schlaf mich einhüllen würde. Dann nickte ich ein und arbeitete mich durch kurze Träume – allesamt unverständlich, aber in den goldenen Farben Roms gezeichnet. Als ich erwachte, dachte ich wider jede Vernunft an den Mann aus dem Lokal. Dann drehte ich mich um.
In genau diesem Moment klingelte das Telefon – ein ungewohntes Schellen, dass mich daran erinnerte, wo ich war: Weit weg von zu Hause. Ich setzte mich auf und starrte das Telefon an. Nach einem kurzen Blick auf Kits leeres Bett hob ich ab.
“Hallo?”, meldete ich mich. “
Pronto?”
“
Giorno.”
Das war nicht Nick. Und auch nicht Kit. Sondern er. Ich wusste es sofort. “
Giorno”
, wiederholte er, als ich nicht antwortete.
“Ist denn schon Morgen?”, fragte ich.
“Früher Morgen.”
Pause.
“Wie sind Sie an meine Nummer gekommen?”, wollte ich wissen.
“Mein Freund aus dem
ristorante.
Er hat mir verraten, wo Sie wohnen.”
“Oh.” Am meisten überraschte es mich, wie sehr es mir schmeichelte, dass er nach mir gesucht hatte.
“Bitte seien Sie nicht böse. Ich kann es nicht erklären, aber ich muss Sie einfach wiedersehen und kennen lernen.”
“Ich bin nicht böse.”
“Dann treffen Sie sich mit mir?”
Ich dachte an Nick, ich konnte gar nicht anders, und das Bild von ihm – die runden braunen Augen, das lockige hellbraune Haar, die Sommersprossen auf den Wangen – hielt mich nicht etwa ab, sondern brachte mich stattdessen in Rage.
Energisch schlug ich die Bettdecke zurück und antwortete: “Ja, warum auch nicht.”
4. KAPITEL
“C iao”
, rief ich dem schläfrigen Nachtportier zu, als verließe ich das Hotel immer allein in den frühen Morgenstunden, um mich mit einem Mann zu treffen, der nicht mein Ehemann war.
Ich trat in die tiefschwarze Nacht hinaus. Das Lädchen gegenüber, in dem man Wasser und Pizza bekam, war geschlossen, die benachbarten Wohnungen lagen im Dunkeln. Es war nicht annähernd Morgen, so wie der Fremde behauptet hatte, im Gegenteil: Das Tageslicht war so weit entfernt, dass ich das Gefühl hatte, ich sähe die Sonne nie wieder. Der Gedanke gefiel mir.
Mein Körper fühlte sich leicht an, schwerelos. Leicht wie eine Nebelschwade zog ich die Straße hinunter. Er wollte mich auf der Hälfte der Spanischen Treppe treffen. Als ich die erste Marmorstufe betrat, zögerte ich. Die Spanische Treppe ist zig Meter breit und himmelhoch. Was genau also hieß “auf der Hälfte”? Der erste Absatz? Der zweite? Ich ignorierte die Fragen, ignorierte meinen Verstand und ging weiter.
Meine Absätze machten
klack, klack, klack
, während ich eine Stufe nach der anderen nahm, und in meiner Brust tobte ein Trommelwirbel der Erwartung.
Einen Moment lang blickte ich in den dunklen Himmel hinauf zum Mond – ein kleiner gelber Ball. Auf der Treppe hielt sich kaum jemand auf. Nur ein paar singende Italiener. Aus dem Augenwinkel konnte ich vereinzelte Liebespaare sehen, aber keine einsamen Männer in Leinenhemden. Meine Augen suchten die imposante Treppe nach ihm ab. Und was, wenn er gar nicht käme? Erleichterung. Enttäuschung.
Auf dem zweiten Absatz angekommen, drehte ich mich um und sah nach unten zum Brunnen. Ringsherum hatten sich einige Nachtschwärmer versammelt. Ob er einer von ihnen war? War ich direkt an ihm vorbeimarschiert? Aber er hatte doch “auf der Hälfte” gesagt. Daran erinnerte ich mich ganz genau. Vielleicht war “auf der Hälfte” irgendein italienischer Jargon. Die Verwirrung schaffte es beinahe, mich aus meinem traumähnlichen Zustand zu reißen. Ich begann über mein Handeln nachzudenken, oder besser gesagt: darüber, dass ich keine Ahnung hatte, was ich eigentlich tat.
Doch als ich mich wieder umdrehte, stand er vor mir.
“
Ciao”
, sagte er.
“
Ciao.”
Er kam auf mich zu und nahm meine Hand. Ein
Weitere Kostenlose Bücher