Roemisches Roulette
beide irgendwie mit dem Tod unserer Freundin fertig zu werden.”
Sie nickten. Die Enttäuschung über meine unpräzise Antwort stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Zwei Frauen gesellten sich zu dem Kreis und streckten Nick und mir die Hände entgegen. “Hallo”, sagte eine von ihnen, “ich bin Erica Selene und das ist Karen McConaghy. Wir wollten uns nur kurz vorstellen.”
“Nick Blakely”, entgegnete Nick und schüttelte ihnen die Hand, “und das ist meine Frau …”
“Ja, wir wissen, wer Sie sind”, unterbrach Erica ihn mit leuchtenden Augen. “Rachel. Wir wollten Sie nur wissen lassen, wie sehr wir Ihren Verlust bedauern.”
Ich schüttelte ihr die Hand und versuchte zu lächeln. Das war der zweite Teil des Traums gewesen, den Kit und ich in jenen Nächten vor den Stadtvillen geträumt hatten. “Wir werden berühmt und beliebt sein”, hatte Kit stets gesagt. “Weißt du, was ich meine? Die Leute kennen einen zwar nur vom Sehen, aber sie bringen einem großen Respekt entgegen.”
Nick und ich waren in diesen Räumlichkeiten ganz offensichtlich berühmt, doch ich bezweifelte, dass uns auch nur einer der Anwesenden respektierte.
“Rachel? Tom Severson hier. Entschuldigen Sie, dass ich Ihre Sonntagsruhe störe.”
Ein Ruck ging durch meinen Körper. Ich blieb nicht länger auf dem Sofa liegen, wo ich fast den gesamten Tag verbracht hatte, sondern setzte mich abrupt auf. Nick hatte die Sonntagszeitungen gekauft, doch in der neuen Wohnung schien es für deren Lektüre keinen geeigneten Platz zu geben. Nichts, das so gemütlich war wie unser alter Kellerraum.
“Sie stören nicht.” Weder Nick noch ich hatten seit unseren Gesprächen in seiner Kanzlei am Tag nach Kits Tod von ihm gehört. Wir hatten wohl beide gehofft, unser Strafverteidiger würde sich nie wieder bei uns melden. Und vermutlich hatten wir auch beide gewusst, wie unrealistisch dieser Wunsch war.
Nick kam ins Wohnzimmer und ich winkte ihn zu mir herüber. Mit den Lippen formte ich lautlos das Wort
Tom.
“John Bacco hat mich angerufen. Er ist der Detective, der Sie vernommen hat.”
Ich schluckte. “Ja, ich erinnere mich.”
Nick setzte sich neben mich aufs Sofa, und ich hielt den Hörer so, dass er mithören konnte.
“Tja, die wollten Sie und Nick ja noch mal befragen. Eine Zeit lang konnte ich sie davon abhalten. Aber jetzt behaupten sie neue Informationen zu haben, und das beunruhigt mich. Es ist zwar meine Pflicht, Sie von dieser Entwicklung in Kenntnis zu setzen, aber ich würde Ihnen raten, sich weiterhin zu weigern.”
“Was kann denn passieren, wenn wir deren Fragen nicht beantworten?”
“Wenn die Sie unbedingt vernehmen wollen und genug gegen Sie in der Hand haben, werden Sie verhaftet und es wird formal Anklage erhoben.”
“Anklage?”, wiederholte Nick. “Hören Sie, Tom, so weit darf es nicht kommen. Das wäre eine Katastrophe für unsere Karrieren, unser Leben. Können wir mit denen nicht einfach vernünftig reden?”
“Wie gesagt: Davon würde ich Ihnen abraten. Ich vermute, dass die nur blind herumstochern und hoffen, so an neue Informationen zu kommen. Sollen die sie doch verhaften, wenn sie unbedingt wollen.”
Als das Wort
verhaften
zum zweiten Mal fiel, schloss Nick für wenige Sekunden die Augen. “Das kann ich nicht tun”, sagte er dann. “Ich kann nicht herumsitzen und eine Verhaftung provozieren, nur damit mich die Polizei vernehmen kann. Ich finde, wir sollten mit ihnen reden. Wir haben ja nichts getan. Wir haben nichts zu verbergen.”
Während Nick sprach, sah ich ihn unverwandt an. Doch er wich meinem Blick aus.
“Letztlich ist es Ihre Entscheidung”, erwiderte Tom, “aber sie gefällt mir nicht. Ich habe es lieber, wenn ich weiß, was auf mich, auf uns zukommt. Haben Sie irgendetwas Neues gehört?”
Nick und ich sahen einander an. “Nein”, antwortete Nick.
“Müssten wir aufs Polizeirevier fahren”, wollte ich wissen. Beim Gedanken an den kalten Raum mit der harten Bank schauderte mir.
“Nein, wir können die Detectives in mein Büro bestellen. Aber noch mal: Ich rate Ihnen dringend von einem Gespräch mit der Polizei ab.”
“Ich will nicht erst verhaftet werden”, meinte Nick. “Wir möchten mit ihnen reden.”
“Sind Sie sich da beide ganz sicher?”
“Ja”, antworteten wir wie aus einem Mund.
“Na gut”, gab Tom nach. “Passt Ihnen neun Uhr morgen Vormittag?”
“Dann muss ich eine OP verschieben”, überlegte Nick laut, “aber das ist kein
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