Roemisches Roulette
meines Büros und fragte nach Laurence.
“Rachel hier”, sagte ich.
“Ach, hallo Rachel. Schön von Ihnen zu hören.”
“Ich war in den letzten Tag nicht da, wegen des Unfalls meiner Freundin.”
Und weil ich gleich von der Polizei vernommen werde. Zum zweiten Mal.
“Ja, ich weiß, und es tut mir leid. Wirklich. Aber ich brauche Sie hier, Blakely.”
“Ich werde in ungefähr einer Stunde da sein.” Ich sah zur der Konferenzsaaltür, die immer noch geschlossen war, und korrigierte meine Äußerung. “Auf jeden Fall heute Nachmittag.”
“Das hier ist ein Job, falls Sie es vergessen haben sollten.”
“Nein, das habe ich nicht”, erwiderte ich mit zu lauter Stimme.
Die Empfangsdame sah mich neugierig an.
“Sind Sie sicher?”, hakte Laurence nach.
“Ich habe es nicht vergessen”, wiederholte ich leiser durch die Zähne. Mein Job war im Trubel der letzten Zeit ins Hintertreffen geraten, und das, obwohl er doch das letzte Bisschen Normalität in meinem Leben war. Ich hatte nicht vergessen, wie viel Spaß mir die Arbeit immer gemacht hatte.
Die Tür zum Konferenzraum ging auf. Jetzt war ich an der Reihe.
“Laurence, ich muss Schluss machen. Bis in ein paar Stunden.”
Nick kam heraus. Auf seinem Gesicht lag ein zufriedener Ausdruck. “Begleite mich noch kurz zum Fahrstuhl, Rachel.”
“Wie ist es gelaufen?”, fragte ich, als wir die Aufzüge erreicht hatten.
Er nickte. “Ich glaube ganz gut. Er hat viele Fragen gestellt, aber zum Großteil dieselben wie auf dem Revier.”
“Und?”
“Ich habe ihm dasselbe gesagt wie seinem Kollegen. Die Wahrheit.”
Ich nickte.
Wahrheit.
Bis zur vergangenen Woche war mir nicht klar gewesen, wie schwammig dieser Begriff sein konnte.
“Er hat mir ein paar Fragen zu Kits Mom gestellt”, sprach er weiter, “und andere persönliche Dinge. Aber ich wusste nicht besonders viel. Du kannst ihm vermutlich mehr dazu sagen.”
“Okay.” Ich richtete den Kragen meiner Jacke und konzentrierte mich auf meine Atmung.
“He, du kriegst das schon hin.” Nick strich mir übers Haar. “Alles wird wieder gut, Baby. Geh einfach rein und sag ihm die Wahrheit.”
Schon wieder dieses Wort.
Tom Severson erschien im Flur. “Rachel, kann ich Sie mal sprechen?”
Ich verabschiedete mich von Nick und folgte Tom in ein leeres Büro.
“Sind Sie bereit?”, fragte er.
Ich nickte. “Nick hat gesagt, der Detective hat nicht viele neue Fragen.”
Tom Severson runzelte die Stirn. “Das stimmt wohl, aber Bacco sucht nach irgendetwas.”
“Was meinen Sie damit?”
“Er stellt viele Fragen zu Kits Finanzen, ihren Freunden, ihrer Arbeit. Ich habe das Gefühl, dass er um eine spezielle Sache kreist.” Er sah mich fragend an. “Müsste ich wegen irgendwas nervös sein?”
Mein Magen verkrampfte sich. “Nicht, dass ich wüsste.”
“Gut. Dann los.”
Detective Bacco saß am Ende des Konferenztisches, Tom und ich gemeinsam auf der anderen Seite. Wir gingen zum x-ten Mal die Ereignisse jenes Abends durch, und auf seltsame Weise tröstete es mich, den Unfallhergang noch einmal genauso zu schildern, wie ich es in der vergangenen Woche auf dem Polizeirevier getan hatte. Es schien mit jeder Wiederholung mehr Sinn zu ergeben.
Nach einer knappen halben Stunde bat Tom den Kommissar, “zum Punkt zu kommen”.
Detective Bacco warf einen Blick auf den gelben Notizblock vor ihm. “Wie sah Kits Lebenswandel aus?”, fragte er.
“Sie war Schauspielerin in L.A. Nach ihrer Rückkehr nach Chicago hat sie am Goodman Theatre gearbeitet.”
“War sie eine erfolgreiche Schauspielerin?”
“Sie hat ein paar Werbefilme gedreht und bei einigen Theaterproduktionen mitgewirkt. Aber die meiste Zeit über war es ein harter Kampf.”
“Und ihr Job am Goodman? War der anständig bezahlt?”
Ich spürte einen Anflug von Angst, als hätte mir jemand leicht in den Nacken gepustet.
“Was genau meinen Sie mit anständig?”, fragte ich. “Ich weiß nicht, wie viel Kit verdient hat, aber ich glaube nicht, dass es besonders viel war.”
“Hat sie noch irgendetwas anderes gemacht, um ihr Einkommen aufzustocken?”
“John”, unterbrach Tom das Gespräch, “ist das wirklich relevant?”
Detective Bacco ließ mich nicht aus den Augen. “Ja”, entgegnete er knapp.
“Ich verstehe die Frage nicht ganz”, sagte ich.
“Hatte Kit Kernaghan noch andere Geldquellen?”
Meine Angst wuchs plötzlich und machte sich als lautes Getose in meinen Ohren bemerkbar. Meine Atmung wurde
Weitere Kostenlose Bücher