Roemisches Roulette
um. Die meisten Gäste hatten sich in dem großen Salon versammelt, wo in einem riesigen Steinkamin ein Feuer knisterte.
Setzte die Musik für einen Takt aus, als die Besucher uns bemerkten? Oder ist es nur in meiner Erinnerung so, in der sich jener Moment mit einem ähnlichen vermischt, den ich aus einer Filmszene kannte? Ich spürte die Blicke der Gäste, die mir alle unbekannt waren.
Genau in dem Augenblick kam Valerie Renworth auf uns zu. “Nick, Rachel”, sagte sie. “Herzlich willkommen.”
Ihren Worten folgte keine herzliche Umarmung. Anders als bei unseren letzten Treffen zum Mittagessen oder Shoppen. Sie drückte uns nur trockene Küsse auf die Wangen. Dann trat sie einen Schritt zurück und blickte zwischen Nick und mir hin und her. “Was darf ich euch zu trinken anbieten?”
Ich hatte schon seit einer Weile keinen Alkohol mehr getrunken. Seit Nick und ich versuchten, ein Kind zu zeugen. Doch nun war nichts mehr wie zuvor. Am liebsten hätte ich einen Wodka bestellt, aber ich hielt mich zurück und bat Valerie um ein Glas Cabernet. Nick bestellte einen Scotch. Ein Getränk, das er seit der Aufnahme als außerordentliches Ausschussmitglied häufiger trank.
“Wartet hier”, meinte Valerie. Fürchtete sie, wir könnten wie Viren in ihre Feier eindringen und die Gäste infizieren? Oder war ich paranoid?
Als ich Nick ansah, entdeckte ich einen Anflug von Panik auf seinem Gesicht. “Da sind Charles und Toni.” Er zeigte auf ein Ehepaar, das nur wenige Jahre älter war und das wir bereits auf verschiedenen Empfängen getroffen hatten. Sie gaben ein auffälliges Paar ab – beide groß, gertenschlank und äußerst lebhaft. Sie erweckten stets den Eindruck, als kämen sie gerade vom Tennis- oder Golfplatz.
Nick führte mich zu ihnen. “Charles, Toni”, sprach er sie an. “Erinnern Sie sich noch an uns?”
Als sie sich zu uns umdrehten, war nicht nur klar, dass sie sich erinnerten, sondern auch, dass sie Zeitung gelesen hatten.
“Hallo”, erwiderte Toni. “Wir haben von der furchtbaren Sache mit Ihrer Freundin gehört. Es tut uns ja so leid.” Ihr Ehemann hielt sich im Hintergrund und nahm ein paar unkultiviert große Schlucke von seinem Drink.
“Danke”, sagte Nick. “Es war eine harte Woche. Wir dachten uns, wir müssten mal für einige Stunden raus aus der Wohnung.”
Mal davon abgesehen, dass du den ganzen Tag draußen warst.
“Natürlich”, entgegnete Toni. “Allzu verständlich.”
Valerie steuerte auf uns zu, gefolgt von einem Kellner, der uns auf einem Tablett die Getränke brachte. “Bitte sehr”, sagte sie steif.
Sie und Toni wechselten einen Blick, den ich nicht deuten konnte.
“Und wie geht es euch allen?”, fragte ich. Ich war nicht gerade die geborene Small-Talkerin. Dennoch wollte ich unbedingt diese verkrampfte Stimmung lockern.
Doch anstatt ein seichtes Geplänkel über das Wetter oder das neue Auto eines gemeinsamen Bekannten zu lancieren, erreichte ich, dass Toni sich mir zuwandte, den Kopf schüttelte und sagte: “Es spielt doch keine Rolle, wie es
uns
geht. Viel wichtiger ist doch, wie es
Ihnen
geht? Das muss ja so furchtbar schwer für Sie sein.”
Das
, hatte sie gesagt. Als könnte man Kits Tod und unsere Vernehmung durch die Polizei mit diesem einen schwammigen Wort zusammenfassen.
“Ja, das ist es in der Tat”, entgegnete ich genauso vage.
“Was ist denn an dem Abend vorgefallen?”
Da war sie – die eine Frage, auf die alle eine Antwort wollten. Valerie, Toni und Charles richteten ihre geballte Aufmerksamkeit auf uns. Ich konnte mir schon genau ausmalen, wie sie die Geschichte am nächsten Tag weitertratschen würden.
Habt ihr von dem Ehepaar gehört, das des Mordes an dieser Schauspielerin verdächtigt wird? Ja, genau – die, die vom Balkon am Lake Shore Drive gefallen ist. Ich habe gestern Abend auf einer Party mit den beiden gesprochen und …
Ich schaute zu Nick, der ausnahmsweise einmal sprachlos war. Dann erschien Tom Seversons Gesicht vor meinem geistigen Auge, der mich davor warnte, dass jeder verkabelt sein könnte und dass Nick und ich nur miteinander über Kits Tod sprechen sollten.
Ich sah, dass Nick zum Sprechen ansetzte und hatte plötzlich Angst vor dem, was er sagen könnte. Er lechzte so sehr nach der Anerkennung dieser Menschen, dass er sich um Kopf und Kragen reden würde. Also beeilte ich mich, ihm zuvorzukommen. “Es war eine Tragödie, ein schrecklicher Unfall, aber das haben Sie sicher schon gehört. Wir versuchen
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