Roemisches Roulette
mich gefragt, ob du vielleicht mitkommen magst.”
“Das würde ich wirklich gerne, aber ich kann nicht.” Diesmal antwortete sie ohne Zögern. “Ich habe noch so viel zu erledigen.”
“Natürlich. Ich verstehe.”
“Danke für deinen Anruf, Rachel.”
“Gerne.”
“Bis bald.”
Nachdem ich aufgelegt hatte, fühlte ich mich wie ein kleines Mädchen auf dem Spielplatz, das nicht bei den anderen mitspielen durfte. Ich erinnerte mich daran, dass mir sowohl Valerie als auch der Rest dieser Leute egal waren. Dennoch konnte ich nicht leugnen, dass ich mich mutterseelenallein fühlte.
Geh nach draußen, motivierte ich mich selbst.
Zum ersten Mal seit sieben Tagen legte ich Mascara auf, schlüpfte in einen Anorak und stürmte hinaus.
Vereinzelt fielen Schneeflocken vom Himmel, und die Weihnachtsbeleuchtung, die nun jedes Wohnungs- und Schaufenster zierte, kam so erst richtig zur Geltung. Je näher die Michigan Avenue rückte, desto stärker erwachten meine Lebensgeister. Aus Außenlautsprechern ertönte
Jingle Bells
, und die Weihnachtsmänner der Heilsarmee läuteten feierlich ihre Glocken. Der alte Wasserturm erstrahlte im weißen Glanz seines Lichterschmucks.
Als ich durch die Eingangstür von Bloomie’s trat, war ich froh, hergekommen zu sein. In dem Geschäft roch es nach Zimt und Nelken, und die Käufer wuselten alle durcheinander. Jeder war in Weihnachtsstimmung. Ich blieb an einem Make-up-Stand stehen, um mich nach einem neuen Lippenstift umzusehen. Plötzlich schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich wohl nie mehr Schminkutensilien einkaufen würde, wenn ich für den Mord an Kit ins Gefängnis käme.
Ich probierte drei verschiedene Farbnuancen aus, woraufhin die Verkäuferin mir vorschlug, doch auch mal eine neue Grundierung, Rouge sowie eine Wimpernzange auszuprobieren. Ich kaufte alles und sogleich durchfuhr mich dieses Kribbeln, das wohl jede Frau verspürt, wenn sie sich etwas Schönes gegönnt hat.
Als ich den Kreditkartenbeleg unterzeichnete, traten neben mir zwei Frauen an den Stand und schnupperten an verschiedenen Flakons.
“Das hier riecht gut”, schwärmte die eine.
Die andere schnüffelte. “Igitt, das ist doch ekelhaft.”
Sie verfielen in ansteckendes Gelächter, und ich musste ebenfalls lächeln. Im nächsten Augenblick erkannte ich eine der Frauen. Sie war blond.
“Nicole?”, sagte ich. “Nicole Bobbin, richtig?”
Die Frau drehte sich um. “Ja”, antwortete sie mit einem Lächeln.
“Ich bin’s, Rachel. Wir haben uns auf dem Glitz-Ball getroffen.”
“Rachel”, murmelte sie, als müsste sie tief in ihrem Gedächtnis kramen. Dann machte es klick. “Rachel
Blakely
, stimmt’s?”
“Ja.”
Sie deutete auf ihre Freundin. “Patty, das ist Rachel Blakely. Sie ist mit Nick verheiratet. Nick Blakely, dem plastischen Chirurgen. Du hast sicher schon von ihm gehört.”
Sie betonte ihre Worte so stark, als wollte sie ihrer Freundin einen nicht gerade dezenten Wink mit dem Zaunpfahl geben, dass dies keine gewöhnliche Vorstellung war, sondern sie zwischen den Zeilen lesen sollte.
“Ach so, ja”, erwiderte ihre Freundin, die Nicoles Anspielung offenbar verstanden hatte. “Freut mich, Sie kennen zu lernen.” Sie reichte mir nicht die Hand.
“Mich auch.”
Dann sprach keine von uns ein Wort. Die beiden Frauen sahen mich so unverwandt neugierig an, als stünden sie nicht direkt vor mir, sondern in diskreter Entfernung. Die Verkäuferin kam zurück zum Stand und rettete uns aus der schrecklich peinlichen Situation. “Kann ich Ihnen noch etwas zeigen?” Sie sah zwischen uns hin und her.
“Nein, wir müssen gehen”, sagte Nicole.
“Ja, wir sind in Eile”, pflichtete Patty ihr bei. “Also, bis dann.”
“Ja, bis demnächst mal.”
Endlich rissen sie ihre Blicke von mir los und drehten sich um. Untergehakt steuerten sie auf den gläsernen Ausgang zu. Sie hatten die Köpfe zusammengesteckt und ich konnte sehen, dass sie tuschelten.
Ich gab der Kassiererin den unterschriebenen Kreditkartenbeleg und beschloss, dass ich gar kein neues Kostüm brauchte.
High-Society-Paar plädiert auf nicht schuldig
Chicago, IL – Dr. Nicholas Blakely und seine Frau Rachel Blakely, eine ehemalige leitende Angestellte im Softwarebereich, plädierten bei der Eröffnung des Hauptverfahrens am Donnerstag auf nicht schuldig. Im Rahmen der Klageerwiderung verkündete ihre Verteidigerin Sharon Pate, “entschlossen gegen die Anschuldigungen vorzugehen”, welche der
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