Roemisches Roulette
“anmaßenden Untersuchung” der Staatsanwaltschaft entsprängen, “die zu weit geht und nur Steuergelder verschwendet”.
“Nick und Rachel Blakely sind unschuldig, und die Wahrheit wird vor Gericht ans Licht kommen”, konstatierte Pate. “Wir wollen keinen Deal. Wir werden ihre Unschuld beweisen.”
Die nächsten Wochen verstrichen eintönig. Weihnachten und Silvester kamen und gingen leise, so wie alle anderen Tage auch. Nick arbeitete die gesamte Zeit, auch an den Wochenenden. Es schien, als wollte er jeden einzelnen seiner Patienten noch einmal behandeln, falls er bald nicht mehr für sie da sein könnte.
Am Ende eines jeden Tages kam er nach Hause, küsste meinen Bauch und umarmte mich. Er fiel ins Bett und schlief tief und fest, bis der Wecker am nächsten Morgen ansprang.
Ich hingegen fand keinen Schlaf. Manchmal gelang es mir, tagsüber ein oder zwei Stunden auf dem Sofa im Wohnzimmer zu schlummern. Danach starrte ich oft die Wand an, die noch immer halb grau und halb hellbraun war. Aber wenn ich im Dunklen in meinem Bett lag, rasten meine Gedanken. Ich fragte mich, ob die Gefängniswärter freundlich mit Schwangeren umgingen. Ich fragte mich, ob ich meine Feuchtigkeitscreme mitnehmen dürfte, die ich seit meinem zweiten Highschool-Jahr benutzte. Ich fragte mich, was nach der Geburt mit meinem kleinen Mädchen passieren würde. Würde meine Mutter es großziehen müssen? Würde ich meine Tochter jemals zu Gesicht bekommen? Was für Essen gab es im Gefängnis?
Ich wusste, dass ich Sharon Pate ein paar dieser Fragen hätte stellen können, aber ich fürchtete mich davor, sie laut auszusprechen. Stattdessen ließ ich Sharon reden. Sie rief einmal pro Tag an und stellte stets einen Haufen Fragen. Sie erzählte, dass ihre Nachforschungen nichts Neues über Hector ans Licht gebracht hätten. Sie sprach über unser Balkongeländer, das niedrig genug sei, dass Kit von selbst darüber habe fallen können. Ihr Sturz könne genauso gut auch ein Unfall gewesen sein. Sie erzählte von Kits Autopsie, die keinerlei belastende Beweise gegen uns erbracht habe.
Bei ihren Worten dachte ich an Nicks Finger; wie sie um Kits Hals lagen. Anscheinend hatte er sie gar nicht so hart angefasst. Das beruhigte mich. Fast gelang es mir sogar, mich davon zu überzeugen, dass ihr Sturz ein Unfall gewesen war.
Die restliche Zeit schlafwandelte ich durch die Tage. Nach der Erfahrung bei Bloomie’s verkroch ich mich in unserer Wohnung, einem Appartement, in dem ich nie hatte leben wollen.
Eines Nachmittags kam Nick schon früh nach Hause, da eine Operation gestrichen worden war. Ich bereitete uns einen Tee, und wir saßen leise schlürfend in der Küche. Seit einiger Zeit hatten wir nur wenig Gesprächsstoff. Die Mordanklage war das alles beherrschende Thema.
Das Telefon klingelte und brach die Stille. Wir sahen den Apparat an und tranken dann unbeirrt weiter Tee.
Der Anrufbeantworter schaltete sich ein. “Huhuuu!”, ertönte eine weibliche Stimme.
“Ich bin’s, Sharon! Jetzt gehen Sie endlich an das gottverdammte Telefon!”
Ich sprang auf und eilte zum Telefon.
Sharon schrie, als befände sie sich bei einem Basketballspiel der Chicago Bulls.
“Moment, Moment”, sagte ich.
Nick und ich gingen ins Arbeitszimmer und schalteten den Lautsprecher ein. Wir konnten sie noch immer jubeln hören.
“Sharon?”, meldete ich mich. “Was ist denn bei Ihnen los?”
“Wir haben ihn!”
“Wen?”
“Sawyer-die-Missgeburt-Beckman! Wir haben ihn! Er wurde schon viermal wegen Veruntreuung und verbotenen Glücksspiels verurteilt, was für sich genommen schon toll ist. Damit könnten wir ihn im Zeugenstand absolut unglaubwürdig machen. Aber mein Schnüffler hat noch was viel besseres rausgekriegt.”
“Was denn?”, fragte Nick.
Wir sahen einander hoffnungsvoll an.
“In Kalifornien liegen Haftbefehle wegen häuslicher Gewalt und Veruntreuung gegen ihn vor. Er hat seinen Arbeitgeber, diesen Flugzeugverleih, um satte sechshunderttausend Dollar erleichtert. Außerdem heißt er gar nicht Sawyer Beckman, sondern John Tuffano. Und, Sie werden es nicht glauben: Er ist verschwunden.”
“Was soll das heißen?”
“Er wusste, dass wir hinter ihm her waren, also hat er sich aus dem Staub gemacht. Sein Appartement ist leer geräumt. Er ist dem Knast noch mal um Haaresbreite entkommen. Die Polizei wird ihn vermutlich niemals finden, und wahrscheinlich will sie das auch gar nicht, wenn ich Bacco erst mal von der finsteren
Weitere Kostenlose Bücher