Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)
diese Ausläufer und das Bergwerk gehörten, daran konnte er sich nicht erinnern. Eiven wusste nichts von der Welt da draußen. Gar nichts! Der Sinnspruch „Alle Wege führen nach Roen Orm, egal, wohin du läufst, du wirst schon ankommen!“ – konnte ihn nicht beruhigen. Das Wissen, dass Niyam diesen Weg vor ihm gegangen und heil zurückgekehrt war, beruhigte ihn ebenso wenig.
Vielleicht sollte er die Bussarde suchen und sich von ihnen töten lassen, dann hätte er es hinter sich!
Doch dafür hatten Niyam und die Weide sich nun wirklich nicht so angestrengt.
Eiven erstarrte. Noch bevor er wirklich wusste, was ihn aufgescheucht hatte, war er bereits in Verteidigungshaltung, das kleine Jagdmesser aus Mishams Bündel – seine einzige Waffe – in seiner Hand. Da war es wieder, das Knurren und Fauchen kämpfender Saduj. Unwillkürlich zuckte er zusammen, er hasste diese wolfsähnlichen Aasfresser, die in Rudeln durch die Wäldern zogen. Für gewöhnlich waren sie eher feige, nur wenn sich genug von ihnen zusammengerottet hatten, wagten sie auch Angriffe auf große Tiere. Eiven strich über eine blasse Narbe an seinem Handrücken, wo eines der Biester ihn als Kind erwischt hatte, bevor Roya ihn in die Luft reißen konnte. Er war damals zu klein gewesen, um richtig fliegen zu können, und die Saduj hatten das ganz genau gewusst. Eiven hatte es in ihren intelligenten Augen gelesen.
Es war das einzige Mal, dass Roya ihm das Leben gerettet und dabei das Gefühl gegeben hatte, froh darüber zu sein. Sie hatte kein Wort gesprochen, sich allerdings sehr aufmerksam um seine Bisswunde gekümmert, sie gereinigt und verbunden und ihn anschließend dafür gelobt, dass er nicht geweint hatte. Eiven erinnerte sich nur an zwei oder drei andere Gelegenheiten, wo Roya ihn mit Anerkennung bedacht hatte …
Aber es gab sie. Das will ich nicht vergessen!
Ein lauter Schrei ließ ihn zusammenfahren. Was auch immer die Saduj als Beute auserkoren hatten, es war weder ein Hirsch noch ein anderes Tier. Vermutlich ein Wächter der Bussarde. Bevor er darüber nachdenken konnte, ob das mit nichts als einem Messer zur Verteidigung eine gute Idee war, hatte Eiven sich bereits vom Boden abgestoßen und er flog so schnell er konnte auf den Kampflärm zu. Ob Freund oder Feind, er würde niemand den Saduj überlassen!
Rasch erreichte er das Ende der Waldlinie, vor ihm erhoben sich karge Felswände und der Eingang zu einer Höhle – zweifellos das Bergwerk. Auf dem mit Felsen und Geröll übersäten Platz davor umringte ein Rudel geifernder Saduj eine einzelne Gestalt. Ein Mensch, ein sehr junger noch dazu, wie es für Eiven aus der Luft schien. Trotz seiner Jugend und äußerst zartem Körperbau kämpfte der Mensch mit wilder Entschlossenheit und viel Geschick. Mit seinem kurzen Schwert hielt er die Bestien auf Abstand, hatte bereits einige von ihnen verletzt und mindestens zwei getötet. Trotzdem schnappten mehr als ein Dutzend Saduj nach ihm, und es war klar, dass sie ihn in den nächsten Augenblicken überwältigen würden. Eiven sah, dass der Mensch hinkte und heftig aus einer Beinwunde blutete. Einer der Saduj duckte sich zum Angriff. Mit einem lauten Kampfschrei stürzte er in die Tiefe, rammte das Messer in die Kehle des Saduj, zog es durch und flatterte sofort in die Höhe.
Zufrieden sah Eiven, dass der einsame Kämpfer die Überraschung genutzt und einen weiteren Saduj getötet hatte, während er wendete und wieder nach unten stieß. Er landete auf dem Rücken eines der Tiere, brachte es mit der Wucht seines schweren Körpers zu Fall, schlitzte einem weiteren den Bauch auf, als es auf ihn zusprang, und nahm hinter dem Fremden Verteidigungshaltung ein. Rücken an Rücken kämpften sie nun gemeinsam, drehten sich unentwegt im Kreis, um den Saduj keine Lücke zu bieten. Mit dem plötzlichen Auftauchen des neuen Gegners waren die Biester überfordert, nur wenige Atemzüge später zogen sie sich zurück. Erleichtert wischte Eiven das Messer am Fell einer der toten Körper ab und wandte sich der fremden Gestalt zu.
Überrascht starrte er auf die Klinge, die drohend auf sein Herz gerichtet war. Ein Loy-Schwert, wie es von Kindern und Jugendlichen benutzt wurde.
„Ganz ruhig“, sagte er bedächtig und blickte in die Tiefe.
„Was bist du?“, entfuhr es ihm unwillkürlich, als er in helle Perlenaugen sah und seltsame Hautmuster auf Gesicht und Hals seines Gegenübers erkannte. Das war kein Mensch!
„Leg das Messer weg und setz dich ganz langsam
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