Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)
sie den Kopf.
„Eiven, ich weiß nicht, was du meinst. Ich hatte die dunkleren Färbungen deiner Schläfen bemerkt. Man sieht es nicht deutlich, aber ganz aus der Nähe scheint es fast, als wären es Tapras – so nennen wir Nola die Hautflecken.“ Sie strich über ihre Hautverfärbungen, die sich wie Schmucktätowierungen über Gesicht und Hals zogen. Eiven musste an sich halten, um sie nicht zu berühren, es prickelte in seinen Fingern, die Beschaffenheit der Tapras zu erforschen. Ein Verlangen, das ihm so vollständig fremd war, dass er vor sich selbst erschrak. Nur mit Mühe konnte er sich auf Avanya konzentrieren, die rasch weitersprach. Sie schien ihm wie ein munterer kleiner Bach, immer sprudelnd und in Bewegung.
„Ein Jammer, ich habe keine Spiegelkristalle, sonst könnte ich es dir zeigen. Wenn man einmal weiß, wo es ist, sieht man es ganz deutlich! Du hast sie nur an den Schläfen, also diese
Hautverfärbungen, aber sie sind da. Das meine ich nicht im bösen Sinne. Bei Niyam und Roya hatte ich auch schon gedacht, ich hätte bei ihnen etwas bemerkt, sie sind allerdings dunkler als du, da war ich nicht sicher.“ Sie hielt inne, als sie seinen verwirrten Blick sah. „Was ist los?“, fragte sie. Eiven starrte sie nur an, er fand keine Worte. Der Sinn dessen, was sie ihm zu sagen versuchte, war ihm durchaus klar, warum sie sich so viel Mühe mit ihm gab, so neugierig und offen wie ein Kind ihm gegenüber war, verstand er hingegen nicht. War das eine List? Wollte sie ihn einlullen, bevor sie ihn für das, was er war, bestrafte? Nola sollten hinterlistig und verschlagen sein, behaupteten die Legenden. Verbarg sich hinter diesen hellen Perlmuttaugen eine finstere Seele? Warum sonst sollte sie seine Nähe suchen, ihn berühren wollen? Niemand kümmerte sich um eine widerliche Missgeburt! Er sollte fliehen, solange er noch die Kraft dazu besaß!
Eiven zuckte zurück, als er ihre Hand auf sich zu kommen sah, erwartete den Schlag. Doch sie lächelte beruhigend. Sanft berührte sie seine Wangen, in ihrem Blick stand nichts als Interesse, keine Verdammnis. Er atmete langsam aus und verscheuchte die paranoiden Ängste. Wahrscheinlich setzten ihm die engen Felswände noch mehr zu als befürchtet …
„Ich tue dir nicht weh, keine Sorge. Sag du es mir, haben Loy Hautmuster?“, fragte sie.
Eiven dachte intensiv über diese Frage nach, schüttelte dann ratlos den Kopf. Der einzige Loy, dem er jemals für längere Zeit nah genug gekommen war, um sein Gesicht intensiv mustern zu können, war Misham gewesen, niemand sonst hatte ihn geduldet. Selbst Niyam war, abgesehen von der letzten Nacht, auf Abstand geblieben. Und Misham? Eiven konnte nicht, er wollte nicht an dieses Gesicht denken. An den flammenden Blick voller Hass und Verachtung. An den Schmerz, die Todesangst, die Scham, die zu dieser Erinnerung gehörten.
„Schon gut, versuche es nicht.“ Eiven blinzelte, schrak leicht zusammen, als er Avanya vor sich fand, so dicht, dass er ihren Atem auf der Haut spürte. Er spannte alle Muskeln an, um sie nicht von sich zu schubsen. Die Kraft der Weide hatte seinen Körper geheilt. Alles andere würde vielleicht niemals wieder …
„Eiven, sieh mich an.“ Die Stimme der Nola riss ihn aus seiner Versunkenheit. „Es tut mir leid, ich wollte dir nicht wehtun, Eiven. Entschuldige, ich habe unterschätzt, wie schwer die Last ist, die du trägst.“ Verwirrt blickte er auf sie nieder. Sie wich von ihm zurück, langsam, zögerlich. So sehr ihre leichten Berührungen ihn erschreckt hatte, jetzt bedauerte er, dass sie sich zurückzog. Erschöpft ließ er den Kopf sinken. Er wollte nicht mehr denken, nichts mehr fühlen.
„Du hast mir nicht weh getan“, flüsterte er. „Ich bin es nicht gewohnt …“ Eiven hörte, dass sie sich zu Boden setzte, etwa eine Armlänge von ihm entfernt. „Ich bin ein Bastard, verstehst du? Ein Mischling aus Loy und Mensch. Ich bin dermaßen hässlich, niemand wollte mich je anfassen, nicht einmal meine eigene Mutter.“
„Du bist nicht hässlich. Zugegeben, ich habe noch nicht viele Loy gesehen, aber wenn Niyam und Roya nicht ebenfalls als hässlich bei euch gelten, bist du wirklich nicht abstoßend zu nennen. Im Gegenteil, ich finde, du siehst gut aus.“
Ruckartig fuhr er herum und starrte sie an.
„Siehst du nicht, wie bleich meine Haut ist? Kein Loy ist so widerlich, jeder sieht, dass ich ein Mischling bin!“, fauchte er, voller Zorn, dass sie ihn zwang, Offensichtliches
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