Roen Orm 4: Herrscher der Elemente (German Edition)
waren aufgescheucht von dem, was heute alles geschehen war.
„Wir müssen da hinüber“, flüsterte sie und deutete in eine stille Gasse. Eiven quetschte sich mühsam zwischen dem engen Spalt der Häuserwände hindurch, um ihr folgen zu können, froh, den Blicken zu entkommen.
„Niyam hatte von dem Misstrauen der Menschen erzählt, aber nicht, wie schlimm das sein kann“, murmelte er, während er sich die aufgeschürften Flügel rieb, soweit er sie erreichen konnte.
„Gleich, Eiven … ah, dort ist es!“ Avanya fand die geheimen Symbole und Linien, die den Eingang zu den Nola-Tunneln öffneten, und brachte sich mit Eiven zusammen auf die andere Seite. Mit einer Handbewegung sorgte sie für Licht, vergewisserte sich dabei rasch, dass hier oben seit langer Zeit niemand mehr gewesen war.
„Nola kommen selten so nah an die Stadt heran, das ist mein Glück. Man würde mich nicht sofort erschlagen, nur weil ich als Verstoßene einen der Tunnel nutze, aber wenn man mich mit einem fremden Loy zusammen findet, wird man uns beide als Feinde betrachten.“ Sie holte den Kristall hervor, den Thamar für sie bewahrt hatte. Der geheimnisvolle Vogel aus der Urzeit hatte ihn magisch verändert.
„Nun denn, erzähl mir, was genau du eigentlich suchst. Maondny sagte, ich kann es für dich finden.“
Eiven seufzte und verschränkte unbehaglich die Arme vor der Brust. Diese Tunnelwände, egal wie hell erleuchtet, gefielen ihm genauso wenig wie die misstrauischen Menschen auf der anderen Seite, das war Avanya bewusst.
„Der Larcima, der Gedankenstein, ist ein Mythos meines Volkes, ich habe dir bereits fast alles darüber erzählt, was ich selbst weiß. Die Alten sollen die Schöpfungsgeschichte darin geborgen haben, er gilt als größtes Heiligtum der Loy. Wie er verloren ging, weiß niemand, unzählige Krieger und Kriegerinnen haben seit undenklichen Zeiten danach gesucht. Manche sagten, er sei im Nihashgebirge, andere vermuten ihn in den Sümpfen von Ulaun. Die meisten glauben aber fest daran, dass Nola ihn einst gestohlen und nach Malaby, ihrer Hauptstadt unterhalb von Roen Orm verschleppt haben. Niyam hat lange danach gesucht und auch Hinweise gefunden, dass er tatsächlich hier verborgen sein muss, irgendwo zwischen Roen Orm und Malaby.“
Avanya dachte nach, ging im Geiste alle Legenden, Mythen und Erzählungen durch, die ihre Mutter ihr jemals am Schlaflager erzählt hatte. Ihre Mutter … Wie sehr vermisste sie ihre Familie!
Unwillig wischte sie sich die Tränen aus den Augen, die dafür sorgten, dass sie den Kristall in ihrer Hand von Regenbogenschleiern umgeben sah.
Plötzlich erstarrte sie, blickte ungläubig vom Kristall hoch zu Eiven und wieder zurück.
„Bei der Weisheit, das muss es sein!“, rief sie, und lachte auf, als sie Eivens Verständnislosigkeit bemerkte.
„Man erzählt bei uns den Kleinsten Gute Nacht-Geschichten über den Regenbogenstein. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass es den wirklich gibt, aber es passt! Hör zu:
Vor langer, langer Zeit gab es Krieg zwischen den Nola und den Loy. Als der beendet wurde, brachten die Geflügelten einen Stein als Friedensgeschenk. Man nennt ihn den Regenbogenstein, weil er in allen Farben leuchtet, sobald Fackellicht auf ihn fällt, obwohl er nicht aus Kristall gemacht wurde, sondern aus einem Material besteht, das wir Nola nicht kennen. Ah, die Geschichte geht noch endlos weiter, sie erzählt von Nolakindern, die den Regenbogenstein nehmen wollten, um nicht im Dunkeln schlafen zu müssen, sich dabei die Finger verbrannten und ihn rasch versteckten, um nicht ausgeschimpft zu werden, was natürlich nicht gelungen ist. Es soll halt den Kleinsten die Angst vor der Dunkelheit nehmen und gleichzeitig warnen, leichtsinnig mit magischen Dingen zu spielen.“
„Das klingt fast zu gut, um wahr zu sein“, murmelte Eiven unentschlossen.
„Du weißt doch, am Grund des Brunnens der Überlieferung schöpfst du Erkenntnis. Wenn nur genug Zeit vergeht, dass niemand sich mehr an die wahren Begebenheiten erinnert, wird daraus irgendwann tatsächlich ein Kindermärchen.“
„Und wo soll man den Regenbogenstein versteckt haben?“
„Lass mich nachdenken. Es muss in der Nähe sein, sonst könnten wir ihn nicht auf die Schnelle finden, wie die Elfe behauptet hat. Niyam vermutete ihn zwischen Roen Orm und Malaby.“ Avanya furchte die Stirn und versuchte, sich an die Erzählungen ihrer Mutter zu erinnern.
„Hm …Die Kinder … und sie schlüpften aus der
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