Roen Orm 4: Herrscher der Elemente (German Edition)
ihm getreten war. Sie nickte der jungen Orn zu.
Chelsa erhob sich und sprach laut:
„Marjcheog wird frei, sein Feuer frisst die Macht, die du nicht besitzt, gezähmt von der Macht, die er nicht kennt. Und die Elfen kehren heim, zu deiner Vernichtung. In fernen Tagen, wenn nicht viele mehr sind.“
Sie beugte sich noch einmal über Pera und Jordre, wisperte Worte des Abschieds. Dann sprang sie auf den Siegelstein und breitete lächelnd die Arme aus. Ein hoher Ton erklang, klar und durchdringend, als sie zu singen begann, das Lied der Götter, und drehte sich dazu langsam um die eigene Achse. Osmege hinderte sie nicht, er war weiterhin gefangen in dem Sturm viel zu lange unterdrückter Empfindungen. Er trauerte um das, was er geworden war, was er niemals hatte sein dürfen, um all das, was er getan hatte und nicht bedauern konnte.
„Reue …“, flüsterte er.
Chelsa tanzte, wie sie es versprochen hatte, wie die Prophezeiung es verlangte, und kümmerte sich nicht um das Danach.
Osmege reagierte nicht einmal, als Marjcheog sich aufrichtete und die Kette abschüttelte wie einen lästigen Armreif.
„Ich weiß nicht, wie ich diese Aufgabe erfüllen soll“, grollte er. „Noch vor wenigen Augenblicken hätte ich es tun können. Jetzt habe ich durch dich erfahren, was Reue, Schuld und Mitgefühl für ein Leid bedeuten. Wie soll ich es tun?“
„Genauso, wie du es vor einigen Augenblicken getan hättest. Doch diesmal wirst du es bedauern“, erwiderte Inani leise.
„Es ist ein Geschenk, Marjcheog, auch, wenn es dir als Fluch erscheinen mag. Du wirst einer ganzen Welt Hoffnung schenken. Zögere nicht“, sagte Maondny.
Chelsa lächelte ihnen zu, ohne ihr Lied zu unterbrechen, drehte sich singend langsam auf dem Stein, der den Weg zwischen zwei Welten versiegelte.
Marjcheogs Flammen umfingen sie, hüllten sie ein wie ein glühender Umhang. Einen Moment lang wehte ihre Melodie noch in der riesigen Steinhalle nach. Dann herrschte Stille. Der Drache hatte die Steintänzerin von Jahrhunderten
des Leidens durch Wiedergeburt mit dem Tod erlöst.
37.
„Und die Elfen kehren heim, zu deiner Vernichtung.
In fernen Tagen, wenn nicht viele mehr sind.“
Aus einer Prophezeiung zur Vernichtung von Osmege, gesprochen von Fin Marla, Königin der Elfen
„NEIIIN!“, schrie Osmege und versuchte, zum Siegelstein zu gelangen, aber der Drache versperrte ihm den Weg. „Warum hast du das getan? Warum nur? Sie sollte doch durch meine Hand sterben, und ich hätte es nicht getan, ich hätte es nicht tun können, nicht sofort. Warum nur?“
Marjcheog wich langsam zurück. In Osmege schrien zehntausende verlorene Seelen, so fürchterlich, dass er sich am liebsten den Kopf abgeschlagen hätte, nur um sie alle zum Schweigen zu bringen. Chelsas verbrannter Leib lag über dem Siegelstein.
„Sieh, was du getan hast, Osmege!“, rief Ledrea anklagend in seinen Gedanken. Auch sie konnte er nicht loswerden, egal, was er versuchte! Zerschmettert von zu viel Schmerz kniete er nieder, und hob den Kristall auf, der in einem halb verkohlten Tuch geborgen unter dem Siegelstein lag. Die seltsame Waffe, die zwischen der betrügerischen Fremden und Chyvile hin- und hergewandert war. Kaum zu glauben, dass das Drachenfeuer sie nicht ebenfalls zerstört hatte.
„Das sollte sie vor mir schützen, nicht wahr? Aber es hat sie nicht vor dem Drachen bewahrt“, sagte er, schrill lachend, ohne zu wissen, warum. In dem rußgeschwärzten Kristall war ein Goldfaden eingeschlossen. Zweifellos irgendeine Elfenmagie, die er nicht verstand. Was sollte er damit jetzt anfangen? Sollte er sich damit vereinen?
Osmege war so mit sich selbst beschäftigt, dass er nur am Rande seines Bewusstseins bemerkte, wie blau schimmernde Energien von Chelsas Körper in den Siegelstein versickerten. Erst, als das Mädchen plötzlich verschwunden war, sich vollständig in Magie verwandelt hatte, blickte er auf. Taumelnd kam er auf die Beine, Schritt für Schritt wich er vor dem Siegelstein zurück, der nun rasend schnell zu rotieren begann.
„Alles verloren, ja?“, wimmerte die Stimme, die zu Onme gehörte.
„Ja. Es ist nun vorbei, Osmege“, erwiderte Maondny traurig. Sie kniete gemeinsam mit Inani neben Pera und Jordre. Die beiden Liebenden hatten sich im Todeskampf umarmt. Sie waren erlöst.
Bevor jemand etwas sagen konnte, gab es plötzlich eine gewaltige Explosion. Osmeges Festung brach
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