Roen Orm 4: Herrscher der Elemente (German Edition)
auseinander. Die Erde stöhnte, sie bäumte sich auf. Mit ohrenbetäubendem Getöse zerrissen die Felswände. Marjcheog packte Maondny, Inani und die beiden toten Orn und schirmte sie mit seinen gewaltigen Flügeln vor dem Sand ab, der auf sie hernieder regnete. Osmege musste sich selbst beschützen, als alles das, was er einst zu Gestein geformt hatte, wieder zur Wüste wurde. Seine Diener, Gefangenen und Sklaven versuchten zu entkommen, doch für die meisten gab es keine Hoffnung. Als das Beben vorbei war, leuchtete der Siegelstein ein letztes Mal auf, und verging. Der Weltenstrudel wurde sichtbar, seine Magie erfüllte die neu entstandenen endlosen Weiten. Und schon traten Gestalten aus ihm hervor: Die Elfen waren gekommen, Osmege endgültig zu vernichten.
~*~
Fin Marla trat zu der jammernden Kreatur, die solch lange Zeit Anevy mit Tod und Schrecken überzogen hatte.
„So endet es, Osmege“, sagte sie sanft. „Als wir uns das letzte Mal gegenüberstanden, da wusstest du es bereits, nicht wahr?“
Er blickte nicht hoch zu ihr, wagte es nicht. Er hatte damals versucht, sich mit ihr zu vereinen, sie zu zerstören wie all die anderen Elfen zuvor. Das magische Wort hatte bei ihr versagt, da sie im selben Moment, als er es aussprach, einen ähnlichen Zauber wirkte, der die Magie kontrolliert und wirkungslos zu ihr strömen ließ – als hätte sie einen Pfeil im Flug gefangen. Sie hatte die Energie genutzt, um ihm eine Vision zu schicken von genau diesem Moment, den er nun durchlebte. Osmege wusste es. Er hatte verloren. Der Pfeil, den sie auf ihn zurückgeschleudert hatte, stak nun in seinem Herzen.
Taón kam hinzu und kniete vor Osmege nieder.
„Dies ist für dich bestimmt“, sagte er leise, zog das verbrannte Tuch fort und schloss Osmeges bebende Finger über den Kristall. Dieser zerbrach und Corins Haar berührte die Hand des Orns.
„Die Magie dieser Tochter der Pya gilt dir, Ismege, deinem Hass auf alles Leben, den die Hand deines Vaters in dich einprügelte. Und dir Onme, dem Wahnsinn, der aus deinem zerstörten Geist entstand. Die Jenseitswächter werden euch nicht noch einmal ins Leben schicken, doch eure Seelen sollen getrennt und geheilt mit Geshar fliegen“, flüsterte Maondny mit golden funkelnden Augen.
Taón hob sein Schwert, und erlöste diesen Körper, der zu lange überdauert hatte, zu viele Leben in sich vereinen musste. Der Todesschrei Osmeges hallte über ganz Anevy. Alle Chimären starben im gleichen Atemzug, alle verlorenen Seelen kamen frei. Jegliche Magie, die Osmege jemals gewirkt hatte, verging. Es war vorbei.
~*~
„Ledrea!“
Die Elfe, die im Zentrum des von ihr erzeugten Magiestrudels ruhte, rührte sich nicht. Die vernichtende Kraft, die sie bis gerade eben noch aus der Unendlichkeit zerren wollte, war fort. Jetzt wollte sie sterben, vergessen, und sonst nichts mehr.
„Komm zu mir, Liebste!“
Widerwillig öffnete sie die Augen. Jandalin war bei ihr, wie war das möglich? Er war doch verloren, verloren wie alles, was sie liebte!
„Komm mit, Ledrea. Osmege ist tot, ich bin frei. Lass einfach los, ich bringe dich zurück.“
„Ein neues Leben, Jandalin? Hatte ich denn nicht bereits genug?“, fragte sie müde.
„Es ist unser Recht, und unsere Pflicht, wir sind Elfen. Komm mit mir! Taón hat eine wichtige Frage, und es gibt etwas zu entdecken, Liebes. Ein Geheimnis, das wir so lange nicht ergründen konnten.“
Sie ließ es geschehen, dass er geistig nach ihr griff, und ihren Seelenleib durch die Unendlichkeit zog, bis sie Licht vor sich sah.
„Geh hindurch, Ledrea. Ich kann dir nicht folgen, ich erwarte dich bei den Wächtern.“ Sie spürte seinen Kuss, bevor Jandalin sie in das Licht stieß und sie erkannte, was
geschehen war: Jandalin war tot. Es war ein Traum gewesen, eine Berührung ihrer beiden verlorenen Seelen, sonst nichts.
Weinend lag sie im Wüstensand, ließ zu, dass Fin Marla und andere Elfen sie umgaben und vergeblich versuchten, ihr Leid zu lindern.
„Du wirst bald von Neuem mit ihm vereint sein“, wisperte Fin Marla neben ihr. „Trink dies, es wird dich einschlafen lassen. Wenn du erwachst, dann bist du in einem neuen Körper wiedergeboren.“
„Doch zuvor, Ledrea, eine Frage“, sprach Taón. „Gestattest du, dass wir einen neuen Tarches erschaffen? Einen Baum der Namen, nach deinem Vorbild? Es würde unserem Volk Trost schenken, schon bei der Geburt eines Kindes zu wissen, wessen wiedergeborene Seele in ihm
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