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Röslein rot

Röslein rot

Titel: Röslein rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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schlecht, damit könnte man einen bitteren Geschmack gut überdecken. Wie hast du es mit den Fingerabdrücken gehalten? Ich ruf dich morgen an, und dann treffen wir uns mal in aller Ruhe!«
    Wahrscheinlich erwartete er demnächst eine Belohnung der speziellen Art. Dieser Punkt machte mir aber nicht viel Kopfzerbrechen; falls seine Frau nichts vom kleinen Moritz wußte, konnte ich Gerd mit seinem unehelichen Sohn erpressen. Auf der Rückfahrt war ich nicht mehr so weinerlich wie nach dem Frühstück, sondern fast euphorisch. Durchsuchen, erpressen, stehlen, belauschen - das Leben wurde spannend, wenn man selbst die Initiative ergriff.
    Mit roten Chlor-Augen machte mir Lara die Tür auf. »Seid ihr schon zurück?« fragte ich dümmlich. Meine Tochter lachte. Länger als zwei Stunden könne man es im Hallenbad nicht aushalten. Wo ich gewesen sei, der Papa habe angerufen.
    »Was wollte er?« fragte ich.
    »Nichts Besonderes«, sagte Jost. »Mama, du hast Post von Rüdiger und von Ellen!« Er übergab mir zwei Briefe.
    Rüdiger Pentmann schrieb an mich und an die Kinder, ob wir seine Fotos erhalten hätten? Lara und Jost sahen mich erwartungsvoll an. Doch, sagte ich, die Fotos hätte ich ganz vergessen. Ich ging ins Schlafzimmer, holte den Umschlag unter der Matratze hervor und zeigte den Kindern die Ferienbilder.
    Der Umschlag von Ellen enthielt drei Geldscheine. »Ich bediene mich ausnahmsweise des Kugelschreibers und nicht des Telefons«, schrieb sie, »denn es bedarf meiner Unterstützung, um Euch einen schönen Tag zu bereiten. Fahrt in ein gutes Restaurant! Statt der ewigen Nudeln wird heute ein richtiges Menü verzehrt. Ich versichere Euch meiner Liebe, Ellen.«
    Die Kinder fanden das »tierisch geil«. Sie ließen mir keine Ruhe, bis wir Ellens Wunsch in die Tat umsetzten. Bald saßen wir im Lokal, zwei fröhliche Kinder mit ihrer Mutter, die den eigenen Mann des Mordes verdächtigte.
    »Warum schreibt sie so komisch?« fragte Lara.
    Ich erklärte den Kindern, daß Ellens und mein Papa - also ihr Großvater - ein Meister des Genitivs gewesen sei und Ellen mehr als mich sprachlich geprägt habe.
    »Mach mir auch mal den Genitiv!« verlangte Jost.
    »Wohin des Weges, junger Mann?« fragte ich. »Sei guten Mutes! Ellen ist eine Frau mittleren Alters, grauen Aussehens und goldenen Herzens, die guten Willens ist, uns eines leckeren Essens teilhaftig werden zu lassen...«
    Meine Kinder staunten.
    Ellen hätte im übrigen auch gestaunt: Natürlich waren wir wieder beim Italiener gelandet, und selbstverständlich bestellten wir Pasta. »Kinder«, sagte ich, »es entbehrt nicht einer gewissen Komik, daß wir schon wieder Nudeln gegessen haben. Aber jetzt will ich heim und noch ein wenig der Ruhe pflegen.«

    Als wir in unsere Straße zurückkamen, erspähte Jost mit scharfem Blick eine Gestalt vor unserem Haus.
    »Sie ist wieder da!« rief er, und nun erst erkannte ich Imke. Sowie sie uns kommen sah, drehte sie sich jedoch abrupt um und verschwand.
    Lucie rief an. »Was ziehst du morgen zur Beerdigung an, und wann genau ist der Termin? Ich mag keine Kränze, ich habe einen großen Strauß Rosen bestellt. Und ihr?«
    Ich wußte zwar, daß die Trauerfeier für drei Uhr angesetzt war, aber über Blumen und Kleidung hatte ich mir keine Gedanken gemacht, in meinem Kopf spielten sich ganz andere Szenarien ab. »Ich ziehe nichts Schwarzes an«, sagte ich, »das ist heutzutage nicht nötig, und die Blumen soll Reinhard besorgen.«
    Lucie war beeindruckt, daß sich mein Mann um solche Dinge kümmern würde. Wir waren noch mitten im Gespräch, als der Gelobte, viel zu früh für seine Verhältnisse, die Tür aufriß. Er warf mir einen forschenden Blick zu, wurde aber sofort von den Kindern in Beschlag genommen. »Papa, wir waren beim Italiener essen! Und Papa, willst du Fotos von Ischia sehen?«
    Sie setzten sich an den Küchentisch, und ich konnte jetzt bei weit geöffneter Tür eine kleine Show abziehen. »Weißt du, Lucie«, sagte ich laut, »wahrscheinlich kann ich gar nicht zum Begräbnis mitkommen, mir geht es ziemlich schlecht heute. Ich war mit den Kindern italienisch essen, anscheinend ist es mir nicht bekommen. Also tschüs, ich melde mich wieder!«
    Mit diesen Worten warf ich den Hörer hin und legte mich aufs Sofa.
    Mit geschlossenen Augen wartete ich, daß Reinhard kam, um mir Stirn und Puls zu fühlen. Als ich tatsächlich seine Hand spürte, hörte ich nur ein sachliches Urteil: »Du hast kein Fieber.«
    Bevor ich

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