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Röslein rot

Röslein rot

Titel: Röslein rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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eine abgelegte Krücke ... Ziemlich rasch war ich zu begeistern, vor allem, weil Ellen tausend Mark für dieses Geburtstagsgeschenk ausgeben wollte.
    Es war schon immer mein heimlicher Traum, eigenes Geld zu verdienen. Zwar sah dieser Auftrag nicht nach einer Dauerbeschäftigung aus, aber vielleicht war es der Anfang eines erfüllteren Lebens. »Ellen«, sagte ich leise und dankbar, »du ahnst wahrscheinlich nicht, wie gut mir dieser Anruf tut. Ich bin irgendwie richtig auf den Hund gekommen, aber das erzähle ich dir ein andermal.«
    Wir vereinbarten, daß mir Ellen Fotos der Objekte zuschicken und dabei ihre Wünsche genau angeben sollte.

    Welch ein Auf und Ab der Gefühle an einem einzigen Tag! Es ging nämlich weiter. Frohen Mutes begab ich mich in den Vordergarten, weil dort noch ein paar Vergißmeinnicht blühten. Ich wollte sofort einige Exemplare pressen, um sie dann als Vorübung für das geplante Gemälde abzumalen.
    Vor unserem Haus stand Imke. Wir sahen uns an, ich schüttelte mißbilligend den Kopf und räusperte mich. »Imke«, begann ich, da unterbrach sie mich bereits. »Ich weiß, was Sie denken«, sagte sie leise und schielte auf die winzigen Blümchen in meiner Hand. »Es ist alles anders. Ich muß es Ihnen sagen.«
    Nun bat ich sie freundlich herein, und wir setzten uns an den Küchentisch.
    Eine Weile sagte sie nichts. »Ich hatte mich geirrt«, begann sie schüchtern. »Ich weiß jetzt, daß ich ihn nicht liebe und er mich auch nicht. Wahrscheinlich war ich ein bißchen krank.«
    Ich nickte freundlich zu dieser Erkenntnis. Hoffentlich hatte sie sich jetzt stabilisiert.
    »Als ich aus der Klinik kam«, sagte sie, »habe ich eine Therapie begonnen. Ich gehe jede Woche zu einer Psychologin.«
    Wieder setzte ich ein verständnisvolles Lächeln auf. »Das finde ich sehr mutig, Imke«, sagte ich. »Sie werden sehen, daß sich jetzt alles zum Guten wendet.«
    Als das Mädchen weinen mußte, setzte ich mich daneben und strich immer wieder über das Schnittlauchhaar. Unter Schniefen und Schluchzen sprach Imke weiter: »Ich wollte ja nur wissen, was er wirklich für ein Mensch ist. Deswegen habe ich ihn in den letzten Wochen beschattet!«
    Fast mußte ich lachen, so absurd kam mir das vor. Ich konnte mir keine ungeeignetere Ermittlerin vorstellen.
    »Ich war doch noch krankgeschrieben«, fuhr Imke fort, »und hatte viel Zeit. Sie waren mit den Kindern verreist.«
    Nun wurde ich plötzlich hellhörig, denn das konnte interessant werden.
    »Morgens fuhr er immer in Richtung Waldschwimmbad«, erzählte sie. »Ich dachte, er hätte dort eine Baustelle. Und dann bin ich mit dem Rad fast bis in den Odenwald gefahren, um zu sehen, wo er arbeitet. Zufällig sah ich sein Auto bei der alten Reithalle.«
    »Das ist keine große Neuigkeit für mich«, sagte ich. »Reinhard entwirft für den Reitklub eine neue Anlage.«
    Imke fuhr unbeeindruckt fort. Sie sei abgestiegen und habe sich dort ein bißchen herumgetrieben.
    Bei ihrem kindlichen Aussehen schien es durchaus glaubwürdig, daß man sie nicht beachtet hatte, sondern für eines der vielen »Pferdemädchen« hielt, die sich in den Ferien nützlich machen.
    »Im Stall haben sie sich geküßt«, sagte sie. Wer? Reinhard und die Reiterin.
    Plötzlich wurde mir ganz heiß, immer neue Beweise für Reinhards Verstrickung kamen ans Licht. Aber ich bewahrte Haltung. »Ach, Imke«, sagte ich. »Reinhard und Silvia kennen sich schon länger, wir begrüßen uns alle mit einem Kuß, das hat nicht viel zu sagen...«
    Imke schüttelte den Kopf. »Ich war jeden Tag dort. Man kann durch einen Spalt in den Futterraum sehen, wo sie sich eingeschlossen haben. Sie wollen doch nicht behaupten, daß Sie und Ihre Freunde sich beim Begrüßungskuß ausziehen?«
    Verschiedene Gedanken schossen durch mein armes Hirn. Ob Imke wirklich die Wahrheit sagte? Hatte sie nicht vielmehr eine berechtigte Wut auf Reinhard und beabsichtigte, ihn anzuschwärzen? Oder haßte sie gar mich und wollte mir weh tun? Und überhaupt - wie weit konnte man ihren Wahrnehmungen trauen? War sie eine glaubwürdige Zeugin, oder ging in ihrem Kopf noch einiges durcheinander? Ich sah sie scharf an - und glaubte ihr alles aufs Wort.
    »Hast du auch zugehört, wenn sie sich unterhalten haben?« fragte ich. Erst als es heraus war, merkte ich, daß ich sie geduzt hatte.
    Imke nickte. »Silvia hat viel von Freiheit gesprochen.«
    »Hat Reinhard dich denn nie gesehen?«
    »Ich glaube, nur einmal«, sagte sie.
    Das war

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