Röslein stach - Die Arena-Thriller
Seiten waren herausgerissen und zerknüllt worden. Es waren Gartenbücher, stellte Petra zu ihrem Erstaunen fest. Eine Stehlampe lehnte mit schiefem Lampenschirm wie ein Betrunkener in der Zimmerecke. Gegenüber, unter der Schräge mit den Dachfenstern, hatte ein Arbeitstisch gestanden, gebaut aus einer langen Sperrholzplatte auf drei Böcken. Die Platte lag am Boden und zwischen den umgestürzten Böcken fanden sich Farbtuben, Dosen, Pinsel, Spachtel, ein ausgelaufenes Glas Terpentin, mehrere Lappen mit Farbresten, Rahmenholz, Leim, kleine Nägel, zusammengerollte Leinwände und das ganze Chaos krönte eine umgestürzte Staffelei.
Zu ihren Füßen bemerkte Petra ein Bild, das mit dem Rücken nach oben dalag. Sie hob es auf, drehte es um und hielt kurz den Atem an. Das Gemälde zeigte einen Drachen oder ein ähnliches geflügeltes Wesen und war in Tiefrot gehalten. Quer durch das Bild verlief ein Schnitt und daneben fanden sich noch ein paar Löcher, als hätte jemand mit einem Messer und mit großer Wut die Leinwand attackiert. Das Rot war eindeutig Acrylfarbe, die dazugehörigen Farbtuben befanden sich in dem Durcheinander. Das ganze Zimmer roch nach frischer Farbe und dem ausgelaufenen Lösungsmittel.
»Schöne Schweinerei«, murmelte einer der Polizisten. »Sieht aus wie in so ’nem Erdbebenfilm.«
»Na ja«, meinte Daniel Rosenkranz gedehnt. »Ich war schon auf Partys, da hat es danach schlimmer ausgesehen.«
»Auf jeden Fall war da jemand stinksauer«, stellte Petra fest.
Oder hatte jemand etwas gesucht? Nein, dann wären Küche und Bad auch in Unordnung gebracht worden. Das hier sah mehr nach einem Anfall von blindwütiger Raserei aus. War Steinhauer durchgedreht und hatte sein eigenes Bild zerstört und die halbe Einrichtung gleich mit?
An der hinteren, schmalen Wand des rechteckigen Raumes gab es eine Tür. Das Schlafzimmer? Eine Abstellkammer? Daniel, noch immer die Waffe im Anschlag, versuchte, sie zu öffnen, aber sie war verschlossen. Der Schlüssel steckte von innen.
Erneut brachte Petra ihre Waffe in Position. »Polizei! Öffnen Sie die Tür!«
Alles blieb still. Petra nickte ihrem jungen Kollegen aufmunternd zu und unter den skeptisch schmunzelnden Mienen der beiden Uniformierten nahm Daniel Rosenkranz kurz Anlauf und trat einmal kräftig dagegen. Es krachte, die Türklinke schlug gegen die Wand und prallte wieder ab, dahinter rieselte Putz. Halb so viel Kraftaufwand hätte auch gereicht. Die Kommissarin hatte richtig vermutet: Es war das Schlafzimmer. Einen Schrank gab es keinen, nur eine Kleiderstange, wie man sie in Kaufhäusern oder auf Flohmärkten sah. Daran hingen wenige Hosen und Hemden und ein Sommerkleid. Die restliche Wäsche lag in einem Karton daneben. In der Mitte des Raums stand ein breites Bett und darauf kauerte eine junge Frau. Nach Petras Schätzung war sie zwischen siebzehn und zwanzig. Ihre schwarzen Locken hingen wie ein Cape um die mageren Schultern, den schlanken Hals zierte eine Goldkette, dünn wie ein Haar. Dunkle, mandelförmige Augen starrten die vier Polizisten verängstigt an und von ihren Händen tropfte Blut auf die weiße Bettwäsche, die bereits großflächig rot getränkt war.
25.
Die Butter weichte immer mehr auf und die Toastscheiben wurden langsam hart. Antonia und Katie hatten sich nicht überwinden können, etwas zu essen. Katie hatte heute frei, da sie am Samstag gearbeitet hatte. Auch Robert war zu Hause, er hatte sich krank gemeldet. Was nicht mal gelogen war, er sah wirklich schlecht aus. Er hatte sich nur eben einen Kaffee geholt und sich dann wieder in sein Zimmer zurückgezogen. Schon gestern, als sie wie geplant das Dynamit in einem grün überwucherten Tümpel versenkt hatten, hatte Antonia befürchtet, dass er womöglich auf dem unwegsamen Trampelpfad, der dorthin führte, unter dem Gewicht des Rucksacks zusammenklappen würde. Er war schweigsam gewesen, aber auch die anderen hatten nur das Nötigste geredet, und als die Tüten mit den Sprengstoffrollen, von Steinen beschwert, glucksend im sumpfigen Teich untergegangen waren, hatte keiner einen Scherz oder eine Bemerkung gemacht. Stumm waren sie zum Auto zurückgegangen und nach Hause gefahren.
Den Abend hatten sie jeder für sich in ihren Zimmern verbracht, wobei Antonia noch ein bisschen weiter in Sonjas Tagebuch gelesen hatte. Das ewige Hin und Her zwischen ihr und diesem Leopold war aber irgendwann ermüdend gewesen und sie hatte das Buch weggelegt. Die Beziehung hatte ständig
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