Roeslein tot
restlichen Frommen, die Reindlfing noch aufzubieten hat, am Herrn Pfarrer vorbei. Die Anni bekommt ein paar mitfühlende Worte extra. Seit der Sepp tot ist, braucht sie ihre Frömmigkeit nicht mehr zu verstecken. Das ist ihr aber nur ein schwacher Trost. Unterdessen spitzt die Berta hinter dem Türrahmen hervor, ob die Luft rein ist. Jawohl, der Herr Pfarrer richtet gerade den buckligen Alois seelisch auf. Er schaut nicht zum Portal. Die Berta schlüpft behände hinaus und drückt sich an der Mauer entlang, am Ahorn vorbei in die Seitengasse.
Am liebsten wäre ihr wohl, wenn der Herr Pfarrer gar nicht bemerkt, dass sie in der Messe war, denkt der Ahorn, der Bertas schändliches Verhalten allen Reindlfinger Pflanzen missbilligend bekannt gibt.
Die Berta ist auf den Herrn Pfarrer nicht gut zu sprechen. Früher war sie seine ergebene Jüngerin und hat ihn genauestens über alle Pfarrkinder informiert, die sich auf die eine oder andere Weise gotteslästerlich geäußert hatten. Irgendwann meinte der Herr Pfarrer jedoch, die Nächsten zu bespitzeln sei auch nicht besonders christlich. Seine Worte zeugten zwar von Nächstenliebe, aber nicht von Diplomatie. Er hat sich dadurch Bertas ewigen Groll zugezogen, gegen den der Zorn Gottes ein harmloses Geplänkel sein dürfte. Sie dachte sogar daran, seine Messe zu boykottieren. Doch wie sollte sie am Sonntag in einen anderen Ort kommen? Sonntags fahren kaum Busse, und als arme Küsterwitwe kann sie sich kein Auto leisten. Sie muss ja ihr ganzes Geld im Friseursalon lassen, wenn sie nicht wie eine Vogelscheuche aussehen will. Ja, früher, zu den Zeiten ihrer Mutter, da haben die Frauen ab der Hochzeit ein Kopftuch getragen. Das war viel billiger. Heute reicht es nach der Dauerwelle kaum noch für die öffentlichen Verkehrsmittel. Und gar nicht in die Kirche gehen? Da hat sie zuletzt doch um ihr Seelenheil gefürchtet.
Sie geht also zähneknirschend hin, sitzt immer in der hintersten Bank, macht eine betont distanzierte Miene und stiehlt sich nach der Messe klammheimlich davon. Unentwegt sinnt sie auf Rache. Könnte diese Mord-Affäre eine Gelegenheit dazu bieten?
Bertas Abneigung gegen den Herrn Pfarrer schließt dessen Haushälterin jedoch nicht mit ein. Im Gegenteil, die beiden Damen haben ein gemeinsames Interesse, was die Beobachtung der Pfarrkinder angeht. Seit der Herr Pfarrer die Nachrichten aus dem Reindlfinger Sündenpfuhl nicht mehr hören will, erzählt die Berta sie eben der Gerti.
Neun
Nach dem Wochenende ist der Stuhlinger wieder in Reindlfing präsent. Er hat anscheinend vor, die nächste Zeugenbefragung zwischen den Rosen vom Sepp durchzuführen. Ich finde das aus meiner Sicht sehr praktisch und aus seiner Sicht sehr naheliegend. Das Wetter ist prächtig, die Rosen haben ihr Blühmaximum erreicht und duften wie verrückt. Außerdem ist es eines der verschwiegensten Plätzchen von Reindlfing. Kein Haus in Hörweite, nicht mal das Gärtnerhaus. Die chemischen Pflanzensignale, die aus viel größeren Entfernungen kommen, bleiben den Menschen ja verborgen, wenn sie nicht gerade irgendwelche speziellen Messgeräte dabeihaben. Von der Straße ist das Rosenquartier durch die Gewächshäuser abgeschirmt. Der nächste öffentliche Fußweg verläuft weit jenseits der Gärtnerei am Reindlbach, dort wo die alte Kopfweide steht, und ist hinter einem Hügel versteckt. Die Anni und der Jens ziehen sich diskret zurück, wenn der Herr Kriminaloberkommissar jemanden erwartet. Das hat er vorhin mit ihnen so vereinbart. Mein Glück, dass es ihm hier gut gefällt. Dadurch bekomme ich alles rindennah mit.
Nach kurzer Zeit kommt der Wellmann und verkündet: »Ich habe die Zeugin hergebeten. Sie müsste gleich da sein.«
»Gut. Rekapitulieren wir doch mal, was wir bisher von der Spurensicherung erfahren haben und wohin uns das führt«, sagt der Stuhlinger. »Also. Die Schleif- und Blutspuren zwischen Garage und Gewächshaus stammen alle vom Opfer, ebenso wie die Blutspuren an der Brechstange. Aber es gibt keine Fremd- DNS weit und breit, also hilft uns das nicht weiter. Zumindest ist jetzt sicher, dass das Opfer tatsächlich in der Garage ermordet wurde. Leider gibt es nirgends Fuß- oder Reifenspuren. Der Rost an der Brechstange ist zudem so rau und blättert so stark ab, dass an Fingerabdrücke nicht zu denken war. Zwar befinden sich am Kopf des Toten ebenfalls deutliche Rostspuren, aber die Suche nach dem Täter erleichtert das nicht.«
»Die Person, die die Rosen auf die
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