Roeslein tot
murmelt die Zenzi gedankenverloren vor sich hin.
Aus der Kehle der Vilshoferin drängt sich ein unterdrückter Schrei. Er klingt wie ein Gurgeln. » Wos passt zsamma?«
»Nix, nix.« Die Zenzi dreht sich um und verschwindet hinter ihrer Glastüre, ohne die Vilshoferin weiter zu beachten.
Sieben
Die Nachricht vom Tod des alten Gärtners fährt wie ein Sturm durch den Blätterwald von Reindlfing. Die Pflanzen rufen, stöhnen und tuscheln alle so kreuz und quer, dass ich überhaupt nichts verstehe. Ich bin selbst noch ganz verwirrt. Schon am Samstag wird der Sepp beerdigt. Man wollte ihn nicht über den Sonntag liegen lassen. Sonst hätte ihm womöglich der eine oder andere aus altem Zorn ins Gesicht gespuckt. Und dagegen hätte er sich nicht mehr wehren können.
Über das Begräbnis erstatten die Friedhofsthujen Bericht. Endlich passiert bei ihnen mal wieder was. Ich finde es ein bisschen schäbig von ihnen, dass sie sich über jeden toten Reindlfinger freuen, doch man kann es auch verstehen, so, wie sie sich immer langweilen müssen.
Ganz Reindlfing ist heute bei ihnen versammelt. Der Posaunenchor setzt mit einem melancholischen Kiekser zum Trauermarsch an. Dann spricht der Herr Pfarrer. Er vergisst völlig, in seiner Rede zu erwähnen, dass der Sepp der einzige Atheist von Reindlfing war. Die Anni ist ihm dankbar. Sie hört nur mit einem halben Ohr zu. Ihre dicken braunen Locken sind ganz aufgelöst. Sie hätte wirklich vor der Beerdigung zur Friseurin gehen sollen, finden die Reindlfinger Seniorinnen. Aber die Anni denkt nicht an so was, wenn ihr Vater gerade ermordet wurde. Sie hat ihn eben geliebt, und jetzt im Moment ist ihr alles andere egal.
Von der Ansprache des Pfarrers, die so wohlwollend ist, wie man es für einen alten Streithammel wie den Sepp nur fertigbringen kann, bekommen auch die anderen Trauergäste nicht viel mit, weil das Baby, das die Birgit auf dem Arm hält, die ganze Zeit fröhlich dazwischenquäkt.
»Schschsch … schschsch …«, macht die Birgit, doch der Sohnemann lässt sich überhaupt nicht davon beeindrucken. Das bringt die Anni noch mehr zum Weinen.
Als das Gequäke gerade alle anderen Geräusche übertönt, flüstert der Berglmaier junior seinem Vater ins Ohr: »Jetzt hod’n endlich der Deifi ghoit, den sturn Esel.«
Die Anni wirft einen Strauß, in dem die Blüten jeder Rosensorte vom Sepp vertreten sind, ins offene Grab. Aus der Ferne verfolgen die Rosen das Begräbnis und sind stolz, durch das Opfer einer Blüte zur Feierlichkeit der Zeremonie beigetragen zu haben. Dann verschwindet der Sarg mit dem Sträußchen allmählich unter der Erde.
Die Trauergäste marschieren zum »Löwen«, wo die Anni einen Leichenschmaus hat richten lassen. Sie schüttelt an der Friedhofspforte jedem die Hand. Neben ihr steht der Jens und schüttelt ebenfalls jedem die Hand. Jetzt ist die Familie Berglmaier dran.
»Beileid, Anni. Und wos mochst jetzat mi’m Kofel-Eck?«
Die Anni gibt schluchzend zurück: »Des überlass i eich endgültig. Wos soll i mi drum streitn? Jetzt, wo der Vatter nimma do is, hot eh ois koan Sinn mehr.«
Der Jens zuckt zusammen und packt die Anni am Handgelenk, dass die Friedhofsthujen vor lauter ausgesendeten Molekülen aufschreien. Mit dem Kofel-Eck hatte er wahrhaftig etwas anderes vor. »Augenblick mal, darüber muss ich erst mit meiner Frau reden. Ohne mich kann sie das nicht entscheiden«, beeilt er sich, den angerichteten Schaden rückgängig zu machen, und zischt der Anni zu: »Habe ich dir nicht oft genug erklärt, wozu wir das Kofel-Eck brauchen?«
»I hob hoit nimma an deine großoartigen Plän denkt«, flüstert die Anni zurück. »Im Moment hob i grod ondre …« Ihre letzten Worte verlieren sich in Tränen.
Die Fenster der Gaststube im »Löwen« sind heute weit offen, damit der laue Sommerwind den Bierdunst vom Freitagabend ein bisschen verdünnen kann. Der Luftzug streicht an den Sansevierien vorbei, die die untere Hälfte der Fensteröffnungen füllen. »Schwiegermutterzungen« nennen sie die Menschen, die dahinter sitzen. Die Schwiegermutterzungen haben den Zweck, die Männer in der Wirtschaft vor den Blicken der Schwiegermütter und Gattinnen, die draußen an den Fenstern vorbeilaufen, zu verstecken. Sie sind so dicht und hoch gewachsen, dass keine von den Frauen sagen kann: »Do schaug her, hockt der scho wieda im Wirtshaus und sauft!«
Heute jedoch bevölkert eine respektable Gesellschaft die Gaststube. Jeder, der in Reindlfing was auf
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