Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roeslein tot

Roeslein tot

Titel: Roeslein tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marketa Haist
Vom Netzwerk:
Leibesumfang eine Schneise zwischen den Gästen hindurch. Am Schafkopftisch angekommen, haut er mit der Faust auf die Bretter, dass die Hirschgeweihe an den Wänden wackeln.
    »Wos host gsogt? Sog des no amoi!«
    Der Hintergruber Hansi hängt, am ganzen Körper zitternd, schon halb unter der Tischplatte. Das könnte jetzt eine richtig schöne klassische Wirtshausschlägerei geben, wenn nicht in diesem Augenblick die Birgit beschließen würde, dem Alten das Kind in die Arme zu drücken.
    »Pass doch bitte kurz auf deinen Enkel auf, ich verschwinde mal.«
    Die Stimmung entspannt sich, und die Gespräche kommen wieder in Schwung. Nur machen es jetzt die meisten dem Herrn Pfarrer nach und reden über was anderes. Aber nicht alle. Die Metzger-Zenzi hat schon einige Enzian intus und wird ziemlich geräuschvoll. Sie steht auf und jodelt quer durch den ganzen Gastraum: »Mi wundert’s ned, dess den Sepp oaner umbrocht hot. Der hot’s doch ned onders woin. Und i woaß aa, wer .«
    Der Metzger schrickt zusammen und zieht sie mit einem kräftigen Ruck am Ärmel wieder herunter. »Geh, Zenzi, sei staad!«
    Er schaut sich um, ob es jemand gehört hat. Alle haben es gehört. Wieder herrscht Totenstille. Er packt seine Zenzi am Arm und hat es auf einmal ganz eilig, nach Hause zu kommen.
    Ab jetzt will irgendwie keine richtige Stimmung mehr aufkommen. Die Gäste verabschieden sich einer nach dem anderen. Am Ende sitzen nur noch der Jens und die Anni schweigend zwischen leeren Bierkrügen, vollen Aschenbechern, zerknüllten Papierservietten, Bröseln und Soßenklecksen. Der Wirt kommt mit der Rechnung, und endlich können sich die Sansevierien ein bisschen von dem Trubel erholen.

Acht
    Jetzt ist der Sepp also unter der Erde. Und das Reindlfinger Leben geht weiter, als ob nichts gewesen wäre. Die Menschen sind eben im Großen und Ganzen ziemlich wenig empfindsame Wesen: aus den Augen, aus dem Sinn.
    Die Sonntagsmesse ist gerade vorbei. Die Kirchgänger treten aus dem Portal, wo sie der Olivenbaum genau im Visier hat. Früher hat sich der Herr Pfarrer nach der Messe in die Sakristei zurückgezogen, doch seit die Schar der Gläubigen so überschaubar geworden ist, stellt er sich am Portal auf, um jeden einzeln zu verabschieden. Gerade drängeln sich die Theresa, die Cäcilie und des Pfarrers Gerti gleichzeitig aus der Türöffnung. Von der Berta, der Dritten im Dauerwellenbunde, fehlt im Moment jede Spur. Gott sei Dank stammt die Kirche aus einer Epoche, in der die Türöffnungen für große Menschenmengen ausgelegt waren, sonst würden sich die drei Damen gegenseitig schmerzhafte Blessuren zufügen. Sie setzen zu einem Spurt an, der ans Ziel führen und gleichzeitig nicht würdelos aussehen, ja möglichst sogar unbemerkt bleiben soll. Eine schwierige Aufgabe. Wer wird zuerst beim Pfarrer ankommen? Die Theresa macht das Rennen. Mit einem sonnigen Sonntagslächeln streckt sie ihm die runzelige Hand entgegen.
    »Des wor a rechte Predigt, Herr Pforrer. Se hom olle Leit klipp und kloar zoagt, wos ma darf und wos ned. Wo kemmat ma sonst hii?«
    »Eigentlich wollte ich eher auf die Gewissensnöte hinweisen, auf die Zwangslagen, die manchmal zu sündhaften Handlungen führen, auf die Schwierigkeit des moralischen Urteilens …« Der Pfarrer fühlt sich unverstanden. Aber solchen Kummer ist er gewohnt.
    Die Cäcilie hat geduldig gewartet, bis die Theresa fertig ist. »Mei, worn de Bluama am Oltar schee. Hot wiada de Anni de Gestecke gmocht, Herr Pforrer?«, fragt sie entzückt.
    »Ja, freilich, wie sonst auch.«
    Die Miene von der Gerti verfinstert sich immer mehr. Die vorwitzigen Schnallen haben ihr den Ehrenplatz in der Schlange der Händeschüttler weggeschnappt. So eine Frechheit! Der Olivenbaum kann genau mitverfolgen, wie sie überlegt, ob sie nicht mit erhobenem Kopf am Pfarrer vorbeigehen soll, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Aber der Herr Pfarrer kann doch gar nichts dafür! Es ist wirklich nicht seine Schuld, sondern einzig und allein die von der Theresa. Die Cäcilie ist nur eine Mitläuferin, der Herr Pfarrer nur ein Opfer finsterer Machenschaften. Also ringt sich die Gerti ein süßsaures Lächeln ab, als sie endlich an der Reihe ist. Der Olivenbaum und ich fühlen uns durch das Benehmen der drei Damen unangenehm an das Getue der Rosen bei den Inspektionen vom Sepp erinnert. Damals, als er noch lebte. Es ist erst drei Tage her, und doch kommt es mir vor wie eine längst verlorene Welt.
    Nach der Gerti defilieren die

Weitere Kostenlose Bücher