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Roeslein tot

Roeslein tot

Titel: Roeslein tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marketa Haist
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beschützen wollen, klangen für mich nicht sehr überzeugend. Und diese Gräfin Lohberg schwindelt uns auch was vor, das sagt mir meine Intuition. Aber Intuition kann man nicht vor Gericht verwenden. Als Nächstes ermitteln wir erst mal, was es im ›Löwen‹ zum Mittagessen gibt, damit wir heute wenigstens einen Fahndungserfolg vorweisen können. Ich muss vorher nur noch kurz zum Schultes. Sie dürfen schon mal vorauslaufen.«
    Der Stuhlinger irrt in der Gärtnerei herum. Auf die Idee, dass der Jens auch mal ein Mittagessen braucht, kommt er erst, als ihm der Duft von Wiener Schnitzel aus dem offenen Küchenfenster in die Nase weht. Er ruft von draußen über den lauschenden Weihnachtskaktus hinweg zur Anni und zum Jens hinein: »Herr Schultes, könnten Sie mir bitte die Fahrkarten geben, mit denen Sie nach Hamburg gereist sind?«
    »Gleich«, antwortet der Jens. Mit vollem Mund soll man ja keine langen Reden halten. Dass der Schnüffler ausgerechnet jetzt was will, nervt ihn ziemlich. Er holt die Fahrkarten trotzdem sofort und bringt sie dem Stuhlinger hinaus, damit der endlich verschwindet.
    »Die sind aber wenig gestempelt. Sind Sie denn nicht öfter kontrolliert worden?«
    »Keine Ahnung. Ich habe die meiste Zeit geschlafen«, antwortet der Jens, auf einem Bissen von einem niedlichen Kälbchen herumkauend.
    Der Stuhlinger trollt sich und schlägt den Weg Richtung Wirtschaft ein. Verfolgt ihn da jemand? Hinten an der Kirche und am Pfarrhaus vorbei hört er hinter sich die ganze Zeit leise Trippelschritte. Dann ein Räuspern. Er schaut sich um: die Gerti. Der Stuhlinger ist überrascht. Der Ahorn nicht. Der hat die beiden kommen sehen und hört ihnen jetzt aufmerksam zu.
    »Herr Kriminaloberkommissar, sind Sie gerade zu sprechen?« Die Gerti sieht sich ängstlich um, ob auch niemand in Hörweite ist. Bloß der Ahorn. Kein Mensch.
    »Natürlich. Nur Mut!«
    »Ich habe lange mit mir kämpfen müssen, bis ich den Entschluss gefasst habe, mich an Sie zu wenden. Ein Christenmensch darf doch seinen Nächsten nicht anschwärzen. Andererseits: Nicht nur die Nächstenliebe, sondern auch die Wahrheitsliebe ist eine christliche Tugend, nicht wahr?«
    »So wird’s sein.«
    »Deshalb ist es meine Pflicht, Ihnen diese merkwürdige Sache mitzuteilen. An dem Donnerstagabend, wo später der Herr Schladerer ermordet wurde, bin ich in meinem Zimmer im Pfarrhaus am Fenster gesessen und habe gestrickt. Da habe ich auf der anderen Seite vom Anger den Herrn Schladerer und den Herrn Eisinger gesehen, wie sie sich ganz aufgeregt unterhielten. Gehört habe ich nichts, weil ich abends immer das Fenster zumache. Wegen den Mücken, die können einem wirklich den ganzen Sommer verderben! Dann ist der Herr Schladerer in den ›Löwen‹ und der Herr Eisinger nach Hause. Dachte ich. Aber dort, wo er hätte weiterlaufen sollen, ist er stattdessen hier eingebogen, an der Sakristei vorbei, wo es zu Schladerers Gärtnerei geht. Um kurz nach elf habe ich mich schlafen gelegt, da war er noch nicht zurückgekommen, obwohl er doch auf dem Heimweg wieder hier vorbeimusste.«
    »Sind Sie denn sicher, dass er nicht vorbeigekommen ist, als Sie mal kurz weggeschaut haben?«
    »Ich habe nicht weggeschaut. Ich stricke blind, wissen Sie? Und dabei sehe ich aus dem Fenster. Das ist interessanter als eine rechts, eine links. Nicht dass Sie denken, ich will den Herrn Eisinger beschuldigen. Das wird sich sicher ganz harmlos aufklären. Nur … ich habe es für meine Pflicht gehalten, Sie darüber zu informieren.«
    »Ja natürlich, da haben Sie vollkommen recht.«
    Dem Stuhlinger knurrt schon der Magen. Der »Löwe« ruft. Ja er brüllt sogar. Da fängt die Gerti wieder an: »Es ist schon eine böse Sache mit den Eisingers.«
    »Ja, natürlich, da haben Sie vollkommen recht. Danke und auf Wiedersehen«, wiederholt der Stuhlinger und versucht, die Gerti abzuwimmeln. Zeugenmotivation hin oder her, der Hunger ist stärker. Doch die Gerti lässt sich nicht stoppen.
    »Vielleicht stimmen die Gerüchte über die Frau Eisinger aber auch gar nicht. Der Herr Schladerer hatte ja eine Vorliebe für solche Gerüchte. Selbst in der Gegenwart des Herrn Pfarrers – stellen Sie sich das mal vor – hat er zweideutige Bemerkungen fallen lassen. Manchmal hat er aus dem Augenwinkel sogar mich angesehen!« Sie errötet wie die »Maiden’s Blush«. »Da sehen Sie einmal, was der für eine schmutzige Phantasie hatte. Mein Herz ist vollkommen rein! Ich weiß, es ist gar nicht

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