Rohypnol - Hutchinson, A: Rohypnol - Rohypnol
den Mädchen geredet?«, fragt Thorley.
»Ja. Eine war Aleesa.«
»Aleesa wer?«
»Keine Ahnung. Sie war neulich auf einer der Partys. Auf der auch Susannah Lockshardt war.«
»Dunkle glatte Haare?« Thorley lässt seine Finger über den Kopf gleiten, als wolle er andeuten, wo die Haare wachsen.
»Ja, mit blonden Strähnen.«
Thorley nickt bedeutungsvoll und saugt die Unterlippe ein. »Das heißt, sie kennt dich.«
Ich nicke.
»Und hast du sie dazu gebracht zuzuhören?«
Ich sage nichts. Schaue wieder hinaus auf die Bucht, das Segelboot.
»Hast du Troy mit ihr reden lassen?«
Ich nicke langsam.
Thorley schließt die Augen, steckt den Finger in den Mund, reibt sich über die Zähne und berührt dann mit dem feuchten Finger sein Ohr.
»Die Samurai in Japan; einer ihrer Wahlsprüche lautet: Wenn du dich mit einem Problem konfrontiert siehst, reibe Spucke auf dein Ohrläppchen und atme tief durch die Nase aus …« Thorley hält inne und atmet durch die Nase aus. »Dann solltest du mit allem fertigwerden können.« Thorley blinzelt in die Sonne, schaut hinter den Gläsern seiner Brille hervor. »Die haben noch mehr solcher Weisheiten.«
»Und? Was sollen wir jetzt machen?«
Er sitzt ganz ruhig da. Schweigt einen Augenblick. Unter uns ertönt eine Hupe. Plötzlich erwacht Thorley wieder zum Leben.
»Vielleicht dauert es eine Weile, alles aufzudröseln.«
Ich bemerke eine australische Flagge, die in der Ferne von einem Kran hängt.
»Wenn sie redet, sind wir am Arsch«, sagt Thorley.
»Das wird sie nicht, Troy …«
»Troy ist ein Idiot. Er ist ein beschissenes kleines Baby. Wenn sie ihn erwischen, reißt er uns alle mit rein. Die Bullen brauchen ihn bloß ein bisschen unter Druck zu setzen, und schon singt er wie ein Vögelchen.« Thorley schnippt die Zigarettenkippe Richtung Dachkante.
Stellt euch Troy im Verhör vor. Polizisten, die ihn in einem dunklen Raum in die Mangel nehmen, von dessen Decke eine nackte Glühbirne hängt. Tränen laufen ihm über sein dummes Gesicht.
»Vielleicht sollten wir uns dann an Troy halten«, sage ich.
Thorley lacht leise auf.
»Willst du den benutzen?«
Er streckt mir einen schwarzen Revolver entgegen, den er aus der Tasche seiner Kapuzenjacke gezogen hat, wo er damit gespielt hatte.
»Wozu hast du den denn?«
Thorley hält den Revolver in beiden Händen, inspiziert ihn. Antwortet nicht auf meine Frage. In seinem Schoß kullern Patronen, jedes Mal wenn er sich bewegt, klirren sie leise. Er streicht zärtlich mit dem Finger über den Abzug.
»Und was passiert mit uns?«, fragt Thorley mit sanfter Stimme. »Wo ist Troy jetzt?«
»Ich habe ihn zu Hause abgesetzt.«
Ich will Thorley fragen, was er denkt, was er vorhat. Bei ihm weiß man nie. Vielleicht richtet er die Waffe gleich auf mich. Vielleicht sterbe ich hier und hinterlasse einen Abdruck zwischen all den Fußspuren und den mit den Fingern in den Ruß geschmierten Namen.
Thorley lässt sich in seinen Klappstuhl zurücksinken und legt den Revolver in den Schoß. Mit dem Fuß zeichnet er einen Smiley in den Ruß.
»Ich muss los«, sage ich und gehe auf die Treppenhaustür zu.
»Hey«, ruft Thorley hinter mir her. Ich höre das friedliche Klirren der Patronen, als er sich zu mir umdreht. Träge zielt er mit dem Revolver auf mich, streichelt den Abzug mit dem Finger. »Vielleicht solltest du springen«, sagt er. Er hat ein Auge geschlossen, damit er auf mich anlegen kann.
Und vielleicht plant er, mich piratenmäßig über die Dachkante marschieren zu lassen. Über die Planke laufen zu lassen. In den Ozean. Mit der auf mich gerichteten Mündung hat er alle Trümpfe in der Hand.
»Die Menschen kommen«, sagt er lächelnd.
Dann sagt er »Bang«, reißt die Waffe hoch und legt sie an der Schulter an.
M a ruft an und fragt, wo ich stecke.
»Ich kann gerade nicht reden, Ma.«
Ich gehe durch die Straßen, drängle mich durch die Massen von Wochenendtouristen. Heute muss irgendeine Großveranstaltung sein, die Gehwege sind mit orangenen Barrieren abgesperrt.
»Was ist los mit dir? Die Schule hat schon ein paar Mal bei deinem Vater angerufen.«
»Ich weiß, Ma, tut mir leid, mir geht’s gut, ich hab nur gerade ein paar Sachen am Laufen.«
»Deine Großmutter ist schwer krank. Dein Cousin kommt und wohnt eine Weile bei uns, damit wir sie alle besuchen können. Komm doch bitte nach Hause.«
»Ich kann jetzt nicht, Ma. Ich habe zu tun.«
»Bitte. Ich habe schon fast vergessen, wie du
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