Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
Weiblichkeit, aber wagte es eine, ernsthaft mit ihm zu flirten, dann war sie bereit, ihr notfalls die Augen auszukratzen. Offenbar kam es nicht auf das Aussehen, sondern auf die Ausstrahlung an. Das machte uns anderen Hoffnung – aber wie erwarb man eine solche Ausstrahlung?
»Was wissen wir über die Leute, mit denen wir gleich sprechen werden?« erkundigte ich mich.
»Nicht besonders viel. Öhman hat mit dem Verleger Paul Kalster von Kalster & Rydberg telefoniert. Der meinte, er habe einen interessanten ersten Kontakt mit Lund gehabt. Am Telefon wollte er nicht so recht heraus mit der Sprache, sondern lieber persönlich mit einem Kommissar sprechen. Und der bin ich. Du darfst mitkommen, obwohl du nur zum Fußvolk gehörst. Ich gestatte dir, daß du mich weiter duzt, wenn wir da sind, du brauchst mich also nicht unbedingt mit ›Herr Kommissar‹ anzureden.«
»Was ist das für ein Verlag?«
»Keine Ahnung. Im Branchentelefonbuch war keine Spezialisierungsrichtung angegeben. Wir werden ja sehen.«
Plötzlich verbarg er das Gesicht in den Händen und blieb so eine Weile sitzen. Dann holte er tief Atem und sagte leise: »Lizzies Mann war heute bei uns. Klemenssons Frau auch. Es war … furchtbar! Nord bekam das meiste ab, aber ich war ebenso angesprochen, besonders, als es um Lizzie ging. Heller, dieser Teufel, hat ja nicht nur getötet, sondern auch Familien kaputtgemacht.«
»Und er lacht nur?«
»Er lacht nur und wechselt die Sprachen. Er plustert sich auf. Er platzt fast vor Stolz. Er fühlt sich uns überlegen. Lizzies Mann bat darum, einige Minuten mit ihm allein sein zu dürfen, und natürlich hatten wir auch schon daran gedacht. Aber das ist auch keine Lösung.«
Mit beinahe weinerlicher Stimme fuhr er fort: »Ich weiß nicht, wie ich mit so einer Sache fertig werden soll, Rolle. Ich sehne mich nach der Zeit zurück, als wir gemeinsam auf Streife gingen.«
Was sollte ich darauf antworten? Ich sehnte mich nach der Zeit, als Virena nach einem Jahr Abwesenheit zu mir zurückgekommen war und wir geheiratet hatten. Es war himmlisch, wir hatten eine Zukunft, von der wir träumen konnten, wir waren voller Hoffnung, und ihre Stimme klang noch warm und sanft.
Bald näherten wir uns Vaxholm. Die Bezeichnung ›Perle des Schärengartens‹ ist völlig zutreffend. Schon vor Erreichen der Stadtgrenze fährt man an bezaubernden Buchten vorbei. Für ein solches Heckchen Erde mit einem roten Holzhäuschen darauf verkaufen Amerikaner schwedischer Herkunft ihren ganzen Besitz.
Die Uhr zeigte Viertel vor drei, also war noch Zeit für einen kleinen Imbiß. Simon hatte natürlich nichts dagegen. Der zeitige Frühling hatte viele ins Freie gezogen, und so lag bereits eine imponierende Flotte von Sportbooten am Kai. Es waren Jachten darunter, die unwillkürlich an Gauner, Schieber und Steuerbetrüger denken ließen. In Schweden sollte kein normaler Mensch die Möglichkeit haben, sich mehr als ein Ruderboot mit einem 10-PS-Motor zu leisten, und der Motor sollte nur dann angelassen werden, wenn die Armkraft zum Rudern nicht mehr ausreicht.
Ich fuhr am Strand entlang in Richtung des Touristenbüros, wo sich, wie ich wußte, auch ein Kiosk befand. Der milde Nachmittag hatte die Pensionäre aus der Stadt gelockt, die sich hier mit den ersten Touristen von den Vergnügungsdampfern mischten. Ich fand einen freien Parkplatz und stellte das Auto ab.
Wir labten uns an Cheeseburgern und machten einen kleinen Spaziergang am Kai entlang. Hier roch das Wasser nach Meer, nach Salz und Tang und Abenteuern. Überall zwischen den Inseln tauchten Boote unterschiedlichster Art und Größe auf und belebten das faszinierende Landschaftsbild, an dem man sich nicht satt sehen konnte. Eines der richtigen alten Waxholmsboote lag am Kai, aber es war offensichtlich erst auf Probetour, denn der Sommerfahrplan war noch nicht in Kraft. Viele Kindheitserinnerungen wurden wach, an Ausflüge in den äußeren Schärengarten mit reinem, klarem Wasser, blanken Felsen und herrlichem Sonnenschein, so herrlich, wie er nur in der Erinnerung sein kann.
»Was für schmucke Boote«, sagte ich enthusiastisch. »So müssen sie aussehen, und nicht wie diese Blechkähne, die aussehen wie schwimmende Straßenbahnen. Vor ein paar Jahren bin ich mit Virena nach Vaxholm gefahren. Auf der Hinfahrt aßen wir zu Mittag, und auf der Rückfahrt tranken wir Kaffee.«
»So ein Quatsch!« äußerte sich Simon. »Die neuen fahren schneller, und Kaffeetrinken kann man auf ihnen
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