Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
Meine einzige kleine Chance bestand darin, daß wir die Diskette fanden und die Bande einbuchteten, bevor sie die Messer wetzen konnten. Eine Minichance. Meistens rutschte uns ja irgendein Schlächter durchs Netz.
Ich nahm einen Schluck Bier und murmelte: »Jedenfalls habe ich eine ganze Menge gesehen im Leben.«
»Na, na, so leicht geben wir dich nicht auf. Ich nehme dich persönlich unter meine mächtigen Fittiche. Du wirst schon sehen.«
Der Trost war gering. Der Fall Heller hatte uns gezeigt, mit welchem Kaliber wir es zu tun hatten, und Kalsters Schilderung war eine zusätzliche Bestätigung gewesen, daß diesen Leuten ein Menschenleben herzlich wenig galt.
»In acht Tagen werden Lizzie und Klemensson mit allen Ehren begraben.«
»Ich komme, wenn ich kann.«
Fr mißverstand mich und sagte ein wenig scharf: »So pessimistisch brauchst du nicht zu sein! Okay, ich weiß, daß dich eine Bande blutdürstiger …«
»So habe ich es gar nicht gemeint. Es geht mehr ums Mentale. Beide starben wenige Meter von mir entfernt, und Lizzie habe ich gekannt und gemocht. Oft träume ich von ihnen.«
Simon winkte der Serviererin und bestellte einen Wodka.
»Das kann ich verstehen«, sagte er leise.
»Manchmal gesellt sich auch Karsten Lund noch zu ihnen und glotzt mich mit seinen gebrochenen Augen aus Elins Bett an.«
Simon bekam seinen Wodka und stürzte ihn auf einen Zug hinunter. So ein kleines Gläschen kann manchmal eine große Hilfe sein, wenn es einem dreckig geht. Nicht, daß es wirklich wirkt, aber es gibt das Gefühl, etwas getan zu haben.
»Ann bekommt Tabletten. Ihre Mutter meint, sie sei ansprechbar, aber sie sitzt wie unter einer Glasglocke.«
Beruhigungstabletten lassen die Welt erträglich werden, man fühlt sich wie mit rosa Wattebäuschen gefüttert, aber nichts wird bewältigt, alles nur zugedeckt. Manchmal bricht man erst nach Jahren zusammen, weil einem endlich klar geworden ist, was man erlebt hat.
»Auf alle Fälle schlagen wir morgen los gegen die, die mit dir Geschäfte machen wollen. Wenn es uns gelingt, auch nur eine einzige Person zu identifizieren, dann werden wir auch die anderen kriegen. Hausdurchsuchung, Bekanntenkreis und so weiter, dir muß ich das ja nicht weiter erklären.«
Das Hauptgericht wurde serviert. Schwedisches Beefsteak mit Zwiebeln. Für Simon war die Portion wieder viel zu klein, ich war vollauf zufrieden. Er löste das Problem, indem er noch eine zusätzliche Schüssel Salzkartoffeln bestellte. Ohne ihn anzusehen, sagte ich: »Die bedrohen auch Virena und Elin.«
Kauend erwiderte er barsch: »Das wissen wir.«
»Wenn es mit mir schief läuft …«
»Sie stehen unter besonderem Schutz, bis die Gefahr vorüber ist. Wie lange das auch dauern mag.«
Er schien schlechte Laune zu haben und bestellte sich noch einen Wodka. Das sah ihm gar nicht ähnlich, allein zu trinken, und dann noch während des Essens. Daraus konnte ich ersehen, daß in seinem Inneren Stürme wüteten. Als Chef war er für mich verantwortlich, als Freund machte er sich noch zusätzliche Gedanken. Ich hatte Anweisung, mich aus den Ermittlungen weitgehend herauszuhalten.
Jede verfügbare Kraft war im Einsatz, um Hellers Auftraggeber zu finden. Da es nun auch noch um die Ermordung zweier Polizisten ging, herrschte eine ebenso aufgeregte Stimmung wie nach dem Mord an Olof Palme.
Polizisten im Einsatz tragen immer ein gewisses Risiko, ein Messer zwischen die Rippen oder eine Kugel in die Brust zu bekommen. Heutzutage hat man es bei den meisten Verbrechen mit bewaffneten Tätern zu tun. Wenn wie diesmal ein Kollege ernsthaft verletzt oder getötet wird, löst das einen kollektiven Zorn aus, der eigentlich die Kehrseite einer konkreten Angst ist. Denn es hätte auch jeden anderen treffen können.
Da ich mich natürlich nicht heraushalten konnte, versuchte Simon, mich wenigstens etwas zu schonen. Das sagte mir mein Instinkt, und ich fand mich damit ab.
»Zum Wohl«, forderte ich ihn auf.
»Was? Ach so, ja, Prost«, erwiderte er und kippte den Schnaps. »Du Rolle, du hast doch diese Menschen, so will ich sie einmal wider besseres Wissen bezeichnen, nie im Leben gesehen. Und sie dich also auch nicht.«
»Nicht, daß ich wüßte.«
»Dann habe ich da so eine Idee. Wir könnten dich doch morgen austauschen, oder?«
Dreizehntes Kapitel
Die Gabel, die sich auf meinen Mund zubewegte, blieb auf halbem Wege stehen.
»Austauschen? Gegen wen?«
»Ich dachte an Ljunglöf. Er sieht dir ziemlich ähnlich, die
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