Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
angesteckt. Was für ein Drama spielte sich dort in Kalsters Villa ab? Vielleicht war es schon gelaufen?
Simon lotste den Fahrer auf den kürzesten Weg. Er hatte das Jackett aufgeknöpft, um schnell die Pistole ziehen zu können, und ich folgte seinem Beispiel.
Auf dem Parkplatz vor dem Haus stand bereits ein Polizeiauto. Eine Uniform entdeckten wir im Garten, der zweite Mann saß am Funktelefon.
Wir eilten hin und wiesen uns aus. Der Polizist auf dem Grundstück war bleich und nickte in Richtung des kleinen Gartenhauses. Die Tür stand offen, und als wir hineinschauten, sahen wir einen verkohlten Menschenkörper. Obwohl auch das Gesicht verbrannt war, erkannten wir doch Kalster.
»Wir sind gerade erst eingetroffen«, informierte uns der Polizist mit gepreßter Stimme. »Wiberg gibt gerade den Bericht durch. Der Kommissar wird bald hier sein. Wir geben auch Alarm.«
»Vergeßt die Straßenkontrollen nicht. Habt ihr etwas zum Absperren dabei?«
»Ja, für den Tatort. Denn es scheint sich ja um Mord zu handeln.«
Das, was von Kalsters Gesicht noch übriggeblieben war, zeigte die Angst, die auch durch das Telefon zu spüren gewesen war. Sie hatte sich buchstäblich eingebrannt. Simon hockte sich nieder und legte seine Handfläche vorsichtig auf den Körper.
»Immer noch heiß. Er kann erst seit ein paar Minuten tot sein.«
»Warum fing das Gartenhaus kein Feuer?«
»Weiß nicht.«
Ich machte einen Schritt, aber er hob die Hand, um mich zu stoppen, und wies auf eine Blutspur im Gras. Er tippte mit dem Finger in einen Blutstropfen.
»Ganz frisch.«
Wir folgten der Spur. Sie führte uns hinüber zum Haus. Die Tür stand offen. Drinnen fanden wir einen verkohlten Haufen. Als wir ihn näher untersuchten, entdeckten wir, daß es sich um die Reste eines hellblauen Kleides handelte, von dem nur noch die völlig zerrissene Rückenpartie übriggeblieben war.
»Los, Rolle!«
Wir hasteten die Treppe hinauf in die Verlagsräume, immer der Blutspur folgend. Auf dem Fußboden vor einem Fenster lag Sandra Ryan auf der Seite, den einen Arm ausgestreckt. Sie trug einen halb zerfetzten Unterrock mit großen, schmierigen Flecken. Das Haar war am Hinterkopf blutgetränkt. Unterarme und Beine wiesen Brandflecken auf. Simon rief den Polizisten, die gerade die Absperrung aufbauten, zu: »Schnell, wir brauchen die Ambulanz und einen Arzt!«
Einer von ihnen rannte zum Wagen. Wir widmeten uns wieder der Blutspur. Sie begann in einer kleinen Pfütze mitten im Zimmer.
Überall roch es nach Benzin. Simon kniete nieder und schnüffelte an den Dielen.
»O verdammt! Daß mir um Gottes Willen keiner raucht hier drinnen!«
Inzwischen kamen immer mehr Fahrzeuge heran und brachten Polizisten, Experten und Fotografen, kurzum alle, die sich nach einem Gewaltverbrechen am Tatort aufzuhalten pflegen. Der Arzt stellte fest, daß Sandra noch am Leben war, und die Ambulanz brachte sie ins Krankenhaus.
Wir hatten hier eigentlich nichts mehr verloren, denn es war nicht unser Fall. Simon berichtete dem zuständigen Kommissar aus Vaxholm alles, was er wußte, und da sich die beiden aus früherer Zusammenarbeit kannten, verlief das Gespräch ruhig und sachlich. Ich hatte Simons Angaben lediglich zu bestätigen.
Unser Chauffeur durfte auf dem Rückweg ganz normal fahren, und er war dankbar dafür. Wir schwiegen beide, und jeder versuchte, in Gedanken zu rekonstruieren, was in Kalsters Villa geschehen war.
Simon äußerte sich zuerst: »Warum hat es nicht gebrannt?«
»Obwohl das Material doch entflammbar war …«
»Seltsam …«
»Vielleicht. Wir sollten aber zuerst versuchen, die Frage zu beantworten, warum Kalster umgebracht wurde. Wußte er zuviel? Oder handelte es sich um eine Bestrafung? Ging es vielleicht um die versteckte Diskette?«
Wir gingen davon aus, daß die Tat von Neonazis begangen worden war. Nach dem, was wir inzwischen von ihnen wußten, waren sie hauptverdächtig.
»Ich denke vor allem an diese Instrukteure, die Gewalt und Terror predigen. Spektakuläre Aktionen sind doch das beste Mittel, junge Leute auszubilden. Ich glaube, sie wollten Kalster für seine Bücher bestrafen und gleichzeitig ein Exempel statuieren.«
Er trommelte mit den Fingern gegen die Scheibe und murmelte: »Das Haus sollte doch bestimmt niedergebrannt werden. Warum brannte es nicht? Warum brannte Kalsters Gartenhaus nicht?«
Menschen lebendig zu verbrennen gehörte also zu den gewöhnlichen Strafmethoden der Neonazis. Kalster hatte sich durch ihre
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