Roland Hassel - 14 - Piraten
gehörte trotz der Inflation der Kriminalität zu den Ereignissen, die weitreichende Konsequenzen nach sich zogen. Doch mich interessierte, was Elin beim Topf schlagen gewonnen hatte.
Simon hatte nur wenige Stunden geschlafen, denn es war für ihn eine arbeitsreiche Nacht gewesen. Trotzdem wirkte er verhältnismäßig frisch; Nadja hatte ihm ein kräftiges Frühstück und eine große Thermosflasche mit Kaffee eingepackt. Das Gespräch vom vergangenen Tag erwähnten wir mit keiner Silbe. Alles würde seinen Gang gehen, und es blieben noch viele Tage, bis ich meinen Schreibtisch räumte. Aber ich hatte ein gutes Gefühl; der Entschluß war gefaßt, und ich würde ihn umsetzen, so schnell es ging.
Aberg war erschöpft gewesen und hatte ein paar Stunden ruhen dürfen. Jetzt wurde er wieder in die Mangel genommen. Solange man vermutete, daß er noch Informationen zurückhielt, würde man ihn immer wieder ausquetschen. Er konnte über sein unbarmherziges Schicksal flennen wie ein Wasserfall, die Schuld lag allein bei ihm. Saxo war erwacht, hatte ein Frühstück bekommen und würde bald ebenfalls im Vernehmungszimmer landen.
»Ich habe die erste Runde übernommen«, erklärte Simon. »Ich möchte dich gern als Zeugen dabeihaben.«
»Danke, aber ich habe anderes vor.«
Simon holte ein kleines Tonbandgerät hervor und winkte vielsagend damit.
»Ich wollte zuerst aus ihm herauspressen, wer Vontenius mit dem schrecklichen Saxo bedroht. Na, bist du interessiert?«
»Oh ja, so gesehen bin ich dein Mann. Glaubst du, daß du ihn zum Reden bringst?«
»Fakt ist, daß ich es vor ein paar Jahren schon einmal geschafft habe. Auch er hat Schwachpunkte.«
Saxo saß bereits, die Hände auf der Tischplatte, im Vernehmungsraum. Zwei Polizisten bewachten ihn. Als sie das Zimmer verließen, nickten sie uns zu: »Seid vorsichtig!« Saxo strahlte primitive Brutalität aus; wenn es für ihn ein passendes Parfüm gab, dann mußte es nach Blut riechen. Sein Blick verkündete, daß er mir am liebsten ein paar Rippen brechen wollte, doch ich ließ mich nicht einschüchtern. Simon lächelte mild:
»Ja ja, so sehen wir uns also wieder. Ist ja schon eine Weile her. Wie möchtest du genannt werden, Göte oder Zackson oder Saxo? Wir richten uns ganz nach dir.«
Er antwortete mit einer mürrischen Grimasse.
»Dann sagen wir Saxo. Falls du mich nicht mehr kennst, ich bin Kommissar Simon Palm. An Kriminalinspektor Roland Hassel erinnerst du dich wohl mit Sicherheit. Er ist Zeuge des Verhörs. Sollen wir anfangen? Aber zunächst eine Kleinigkeit.«
Unverändert lächelnd stellte er den Tisch zur Seite und setzte sich Saxo genau gegenüber. Der wußte nicht, was er jetzt mit den Händen anfangen sollte und steckte sie schließlich in die Hosentaschen. Simon schaltete das Bandgerät ein und nannte Datum, Uhrzeit und die anwesenden Personen.
»Saxo, du bist nun zweiundfünfzig Jahre alt. Hast du es nicht satt, Leute umzubringen?«
Keine Antwort. Simon hatte auch keine erwartet.
»Du hast nur noch dreizehn Jahre bis zur Rente. Über deine neuen Eskapaden werden wir auch reden, aber etwas später. Vorher möchte ich etwas anderes von dir wissen.«
Er rückte mit seinem Stuhl noch näher an Saxo heran, der keine Möglichkeit hatte auszuweichen. Dann hielt er ihm das kleine Abhörgerät vor die Nase:
»Hier ist eine Stimme, die du identifizieren kannst. Ich möchte, daß du mir sagst, wem sie gehört.«
Er legte den Apparat auf den Tisch und schaltete ihn ein. Das Band war zusammengeschnitten, so daß nur die Repliken des arroganten, überlegenen Mannes zu hören waren, wieder und wieder.
»Na Saxo, wer spricht da?«
»Weiß nicht«, murmelte Saxo.
Daß er sich überhaupt äußerte, war ein Fortschritt. Simon rückte noch näher heran und war mit seinem großen Gesicht unmittelbar vor Saxos. Ich begriff, welche Methode er anwendete.
Jeder hat sein Revier, das kein anderer betreten darf. Das Revierdenken ist die Ursache der meisten Probleme und Konflikte. Die Auswärtigen, die zum Tanz kommen, verletzen das Revier der Einheimischen, und nach der ersten Runde mit den ortsansässigen Mädchen liegt eine Prügelei in der Luft. Flüchtlinge, die nach Schweden kommen, besetzen das Revier der sozial Schwachen, nehmen die Jobs, nehmen unsere Frauen, unsere Wohnungen, das ganze Land. Am besten, man brennt ihre Baracken nieder und kreuzigt sie!
Das Körperrevier liegt in unseren Kulturen bei etwa sechzig Zentimetern. Tritt jemand in diesen Kreis,
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