Roland Hassel - 14 - Piraten
ohnegleichen, nach allem, was geschehen ist, auch noch meinen Namen zu mißbrauchen.«
»War ja wohl nicht so schlimm.«
»Na hör mal, Odler, mit dem Ruf, den du erworben hast, dürfte es dir schwerfallen, wieder irgendwo anzuheuern. Übrigens, wie kommst du dazu, dich als Hausmeister zu bewerben? Deine technischen und handwerklichen Fähigkeiten tendieren doch gegen Null; du hast ja nie etwas anderes gemacht als in der Messe Essen serviert!«
»Irgendwie muß man doch mit dem Arsch an die Wand kommen«, murmelte ich düster.
»Und die Konsequenzen? Wenn du den Job aufgrund meiner angeblichen Empfehlung bekommen hättest, und es wäre herausgekommen, was du für ein Versager bist – wie hätte ich dann dagestanden? Ich wäre zur Polizei gegangen, mein Wort darauf.«
»Verdammt noch mal, eine Referenz anzugeben, ist doch kein Verbrechen!«
»Du solltest dich in der nächsten Zeit nicht allzu sehr in Erinnerung bringen, Odler. Wir konnten deine Beteiligung an der Sache mit Hadar Jonasson damals nicht beweisen, aber die Polizei würde die Wahrheit schon herausfinden.«
Was war dem Ärmsten denn geschehen?
»Ein reiner Unglücksfall«, meinte ich.
»Wenn es hier einen Unglücksfall gibt, dann bist du es«, wetterte der Steuermann. »Jonasson hatte Familie, du nicht. Wenn du meinen Namen noch einmal benutzt, wird es dich teuer zu stehen kommen!«
Er knallte den Hörer auf die Gabel, und ich machte noch ein paarmal mhm – mhm, um die Rolle überzeugender zu spielen. Ich begann, für Johnny Odler eine gewisse Sympathie zu empfinden. Er hatte es sicher nicht leicht. Am Abend sprach ich über das Mobiltelefon mit Hiller. Wir waren uns einig, daß ein fetter Köder am Haken hing; wir mußten warten, bis jemand anbiß. Anschließend rief ich Simon an und unterhielt mich mit ihm lange über die Abteilung. Ich sehnte mich nach dem Streß und seinem Gegenteil, der Langeweile, wenn man stundenlang in einem Auto oder einem zugigen Hauseingang wartet. Ja, ich wollte zurück, denn die Fahndung war ein Teil meines Lebens gewesen. Man wird von seinem Beruf geprägt. Andererseits ist der Kampf, den man bestehen muß, bis Tod oder Pension als Befreier kommen, voller Trennungen und Aufbrüche. Ich sehnte mich also zurück, aber die Erinnerungen an meinen Schreibtisch und das Fahndungsregister trafen mich nicht mehr ins Herz. Vielleicht vermißte ich einfach die Sicherheit des Gewohnten.
Es wurde eine unruhige Nacht. Das Haus war hellhörig, und nicht alle Mieter wollten so zeitig schlafen gehen wie ich. Als ich endlich einschlummerte, landete ich in der Zelle, und eine lähmende Angst überfiel mich – ich würde nie wieder frei sein, die Türen waren für immer verschlossen, ich würde vertrocknen und zu Staub zerfallen. Im Morgengrauen erwachte ich schweißgebadet, und es war tatsächlich ein Grauen, bis ich wieder einschlief.
Gegen neun saß ich im Pyjama, glotzte Frühstücksfernsehen, kaute an einem Käsebrötchen und kleckerte Tee auf Odlers Teppich. Das Türsignal gellte unerwartet laut. Ich hoffte, daß mir die Aufregung nicht anzumerken war, zog mir Johnnys verschlissenen Morgenmantel über und öffnete. Draußen stand ein Mann in den Fünfzigern. Als ich ihn ansah, wußte ich sofort, daß es nun kein Zurück mehr gab.
»Du bist Johnny Odler?«
Der Satz war als Frage formuliert, klang aber mehr nach einer Feststellung.
»Mhm.«
»Mein Name ist Leon; ein guter Freund von Mark. Darf ich hereinkommen?«
»Gewiß.«
Leon sprach perfekt schwedisch, lediglich ein schwacher Akzent wies darauf hin, daß seine Wiege in einem anderen Land gestanden hatte. Er hatte glattes, dunkles Haar und ein großporiges Gesicht. Seine Haut war bronzefarben; er lächelte mit fülligen Lippen und entblößte Zähne, die einem Raubtier alle Ehre gemacht hätten. Breitschultrig und geschmeidig in den Bewegungen wirkte er wie einer, der jederzeit angriffsbereit ist.
Was man zuerst bemerkte und zuletzt vergaß, waren seine Augen. Schwarzglänzend und prüfend bohrten sich ihre Blicke durch Mark und Bein. Diese Augen forderten Wahrheit und entlarvten Lügen. Wäre er Vernehmungsleiter, hätte einer dieser Blicke genügt, um den Verdächtigen zu einem kompletten Geständnis zu bringen. Ich bekam selbst Lust herauszuschreien, daß ich Hassel und nicht Odler hieß, nur um von ihm in Ruhe gelassen zu werden.
»Noch beim Frühstück? Aha. Kann ich Kaffee bekommen?«
»Hab nur Tee.«
»Dann nehme ich Tee.«
Er bekam eine Tasse, die noch
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