Roland Hassel - 14 - Piraten
halbe Milliarde schwedischer Kronen«, murmelte ich. »Für ein einziges versunkenes Schiff!«
»Das reicht noch nicht. Dazu kommt das Wrack ›Farlon‹, das bei der nächsten Klassifizierung nachweisen kann, daß es repariert und im besten Zustand ist. Der Wertunterschied zwischen den beiden Schiffen kann mit zirka vier Millionen Pfund beziffert werden. Außerdem ist die gesamte Fracht erhalten geblieben. Über Strohmänner und diverse dubiose Firmen können die Flugzeugmotoren nach und nach zu günstigen Preisen verkauft werden, sagen wir für zwanzig Millionen Pfund. Falls überhaupt Motoren geladen wurden. Es könnten auch Waffen gewesen sein, und in unserer kaputten Welt finden moderne Waffen stets willige Käufer. In diesem Fall können wir vom doppelten Wert ausgehen.«
Ich spürte etwas von der Ohnmacht, von der so viele Kollegen berichten. Man sieht nur Schmutz und Elend, erlebt nur Blut und Gewalt, registriert nur Gier und menschliche Kälte, beobachtet nur Roheit und Rücksichtslosigkeit. Da fängt man an zu glauben, daß die ganze Welt so beschaffen ist, und vergißt, daß es gleichzeitig auch Wärme, Liebe und Freundlichkeit gibt. Wer keine Familie oder keinen Freundeskreis hat, sondern ausschließlich »für den Job« lebt, läuft Gefahr, Schaden an der Seele zu nehmen.
»Was wissen wir noch?« fragte ich müde.
»Eine ganze Menge. Wie du weißt, wird Interpol oft als bürokratisch und rigide verhöhnt. Vielleicht zu recht. Interpol ist ja zunächst nur eine internationale Informationszentrale gewesen. Inzwischen hat die Organisation eine bedeutend aktivere Rolle bekommen; wir arbeiten zum Beispiel sehr eng mit Europol zusammen. Unsere Datenbanken und das Nachrichtennetz sind gigantisch.«
»Zuviel kann alles verderben«, wandte ich ein. »Was man über die CIA erfahren hat, ist nicht gerade erhebend. Dort werden so viele Informationen gesammelt, daß sie nicht mehr bearbeitet werden können. Wenn zum Beispiel eine Nachricht über einen Kriegsausbruch am Freitag eingeht, kann es sein, daß sie erst am Montag ausgewertet wird. In der Zwischenzeit kann die ganze Nation vernichtet sein.«
Hiller nickte zustimmend.
»Die CIA zeigt als abschreckendes Beispiel, wie ein Geheimdienst, der politisch zu stark geworden ist, die Handlungsfähigkeit eines Staates einschränkt. Wenn es einer wagt, an eine Kürzung des Budgets zu denken, wird er plattgewalzt. Die CIA weiß alles über alle und kann alles voraussehen, doch scheitert daran, daß niemand Information und Überinformation unterscheiden kann. Wir dagegen haben viele Kontrollstationen, die das eintreffende Material effektiv sortieren.«
»Wenn Interpol weiter wächst, wird sie wie die CIA enden«, bemerkte ich resigniert. »Das Parkinson’sche Gesetz gilt überall. Jeder Beamte will seine Bedeutung herausstellen, indem er sich mit einem eigenen Stab umgibt.«
»Ja, das Risiko besteht. Aber derzeit besteht noch keine Gefahr, glaub mir. Rolle, laß uns zu unserem Fall zurückkehren und über deine alten Bekannten reden.«
Durch das Fenster konnte ich das Postamt sehen, in dem ich so oft mit meiner Mutter gewesen war. Damals hieß es Stockholm 12 und war unsere Postadresse. Als Halbwüchsiger hatte ich sonntags, wenn sich der richtige Briefträger ausruhte, als Zusteller gearbeitet. Vielleicht waren meine panthergleichen Fähigkeiten beim Treppensteigen und meine kräftigen Oberarme auf diese Tätigkeit zurückzuführen. Wer in einem Haus ohne Fahrstuhl wohnt und weiß, wie schwer die alten Ledertaschen der Post waren, kann mitreden.
»Jurij Machec ist 58 Jahre alt und wurde in Armenien geboren. Sein Vater war ein hochspezialisierter Kraftwerksmonteur und hatte deshalb das Privileg, in der ganzen Sowjetunion reisen zu dürfen. Der Knabe Jurij kam also überall herum. Nach drei Jahren Armeedienst ging er zur Handelsflotte und schaffte es bis zum Kapitän für kleinere Frachtschiffe. Nach dem Ende der Sowjetunion befuhr er als Erster Steuermann, aber auch als Kapitän südamerikanische Routen. Da es viele Kapitäne gibt, aber nur wenige gebraucht werden, war er immer wieder arbeitslos. Offiziell wohnt er in Moskau und ist nicht verheiratet. Wie man so schön sagt, ein unbeschriebenes Blatt und durchaus in der Lage, ein 7000-Tonnen-Schiff zu führen.«
Über jeden Mann gab es eine Akte, doch ich vermutete, daß mir Hiller nur eine Zusammenfassung geben wollte.
»Übrigens, wie wäre es mit einem kleinen Frühstück?«
»Nein, danke, mach nur
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