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Rolandsrache

Rolandsrache

Titel: Rolandsrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Riedt
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um ihre Mutter und die Tante nicht zu schockieren. Aber auch die etwas harmlosere Geschichte sorgte für gespannte und auch mitfühlende Gesichter.
    Nach dem guten Essen, von dem Anna viel zu viel genommen hatte, glaubte sie, platzen zu müssen. Thea entführte sie in die von Kerzen erleuchtete Badestube, welche verheißungsvoll nach Lavendel duftete, mit frischem Stroh ausgelegt war und in der ein Zuber vor sich hindampfte. »Ich glaube, das kannst du jetzt gut vertragen.« Ihre Magd lächelte sie wissend an und half ihr aus den Sachen.
    Anna schluckte mühsam. »Das hast du schön gemacht.«
    »Ich dachte, etwas Ruhe würde dir guttun. Soll ich bleiben und dir den Kopf massieren?«
    »Nein, danke. Mir reicht es, wenn ich etwas vor mich hinschlummern kann.«
    Thea nickte. »Ruf mich, wenn du mich brauchst.«
    Anna genoss die Ruhe und hoffte, sich von allen bösen Erinnerungen reinwaschen zu können. Sie lehnte den Kopf an die Kante und schloss die Augen. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, liefen an der Seite hinunter und tropften kühl auf ihre Schulter. Plötzlich sah sie die Hand von Heinrich nach ihr greifen. Erschrocken riss sie die Augen auf. Würde sie diese Momente je vergessen können? Sie hoffte es und beruhigte sich mit dem Gedanken, dass die Erinnerungen noch zu frisch waren. Sie brauchte Zeit.

21
    Die Tage zogen ins Land, wurden zu Wochen, und dann nahte der Sommer. Die Vormittage verbrachte Anna mit Thea und ihrer Mutter in der Küche oder beim Nähen. An den Nachmittagen meißelte sie Buchstaben um Buchstaben in das Wappen. Unermüdlich arbeiteten sie an der Statue, die nun beinahe fertig war.
    In der Werkstatt hatte sich Claas inzwischen einen Bereich abgetrennt. Was er dort machte, verbarg er vor den anderen. Man hörte nur ein stetes Hämmern. Jeder im Haus war neugierig, doch alle akzeptierten seinen Wunsch, nicht nachzusehen, was es war.
    Ihre Mutter schien nach wie vor fest entschlossen, zu den Beginen zu gehen. Bereits jetzt war sie an manchen Vormittagen dort und half den Frauen bei ihren Arbeiten.
    Immer wenn niemand in der Nähe war, küssten sich Anna und Claas heiß und innig, und es schmerzte sie, dass sie sich so in Acht nehmen mussten. Sie befanden sich in einer verzwickten Lage. Ihre Mutter durfte nicht sehen, wenn sie sich küssten, und die anderen wunderten sich, dass sie nicht wie ein Paar lebten. Der Erzbischof war im Bistum Verden, und man wusste nicht, wann er zurückkommen würde. Sicher hatte er einiges auszubügeln, was Heinrich bei seinem letzten Besuch dort für sich geregelt hatte.
    Der Mai war bald vorüber, und die Hitze an diesem Sonntag unerträglich. Sie waren froh, nicht arbeiten zu müssen, und nach einer kalten Apfelsuppe entschlossen sie sich, zum Schwimmen an die Weser zu gehen. Sie packten einen Korb mit Hühnerkeulen, Brot, Bier und einfachem Wein und genossen den Tag am Strand. Möwen kreisten über ihnen, begierig, etwas Nahrhaftes zu erhaschen. Eine Dohle wurde von ihrem Jungvogel um Futter bedrängt, und die Grillen summten im Gras.
    Claas stieg aus dem Wasser, und Annas Herz schlug schneller, als er seinen nassen Körper abtrocknete. Kleine Wassertropfen funkelten auf seiner Haut. Ihm entging ihr Blick nicht, und er schenkte ihr ein verliebtes Lächeln. Von Mal zu Mal waren ihre Innigkeiten heftiger geworden, und sie fieberten beide danach, wieder nach Hause auf ihr Gut zu ziehen, um endlich zusammen sein zu können. Zum Abkühlen ging auch Anna kurz in das flache Wasser. Thea gesellte sich dazu und wurde von Bertram nass gespritzt. Sie schalt ihn dafür, allerdings fehlte ihren Worten die Ernsthaftigkeit.
    Ausgelassen machten sie sich am späten Nachmittag schließlich auf den Heimweg.
    Als Anna an diesem Abend im Bett lag, konnte sie nicht schlafen. Die Gräfin maunzte immerzu, und der Graf jagte sie durchs Haus. Seufzend zog Anna sich etwas über und ließ die beiden nach draußen. Sollten sie sich dort austoben. Auf dem Rückweg schlich sie in die Küche, um sich etwas zu trinken zu holen.
    »Kannst du auch nicht schlafen?« Claas’ Stimme ließ sie herumfahren. Er lehnte mit einem Becher in der Hand am offenen Fenster.
    »Nein. Die Katzen haben sich unentwegt gekabbelt.«
    »Wir haben noch eine Partie Schach offen. Wenn du magst, kann ich das Spiel holen.«
    Das Spiel hatten sie vor Monaten zuletzt gespielt. Hin und wieder war eine der Figuren von den Katzen vom Brett geworfen worden.
    »Würden wir damit nicht die anderen wecken?

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