Rolandsrache
zuckte ein triumphierender Ausdruck. »Darf ich wissen, wer der Mann war? Er schien Euch ebenfalls gut bekannt, immerhin steckte er Euch einen äußerst fetten Beutel zu.« Claas schien es zu genießen, wie der Büttel sich immer mehr auf seinem Stuhl wand.
»Was denn für einen Beutel?«, fragte Simon, der nun ebenfalls hellhörig geworden war.
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sagte Rudolfus mit zusammengekniffenen Augen.
»Nun, wenn meine Sinne mir keinen Streich gespielt haben, verschwand dieser Beutel unter Eurem Wams.« Claas schüttelte den Kopf und spielte den Verwirrten.
»Hä?« Simons Mund stand offen.
»Ach das …«, Rudolfus winkte gelangweilt ab, »… das waren nur ein paar Kräuter für meine Galle.«
»Und ich dachte, Ihr würdet euch nichts aus Kräutern machen«, bemerkte Claas.
Magda Olde betrachtete beinahe ebenso verwirrt wie Simon das Geschehen und schwieg, während Thea sich um den Abwasch kümmerte und mit den Tellern klapperte. Anna bewunderte Claas dafür, wie er mit dem Mann umsprang, der sich immer tiefer reinritt.
»Das dachte ich auch«, brummte Simon und sah seinen Begleiter argwöhnisch an. »Was war denn in dem Beutel?«
»Es geht niemanden etwas an, was ich tue«, zischte Rudolfus den jüngeren Büttel an. »Und du, Claas, tätest gut daran, dich nicht um fremde Angelegenheiten zu kümmern. Ich glaube nicht, dass du den Mann kennst.« Seine Augen schossen Blitze ab, doch Claas ließ sich nicht beeindrucken.
»Woher wisst Ihr, wen ich alles kenne? Wie ist denn sein Name?«
»Das tut nichts zu Sache.«
Simon lehnte sich demonstrativ zurück und ließ ebenfalls nicht locker. »Ach, ich finde schon, dass es etwas zur Sache tut. Erzähl doch, wer das war. Vielleicht brauch ich auch mal Kräuter, wenn ich in dein Alter komme.«
Mit wutverzerrtem Gesicht erhob Rudolfus sich. »Behalte deinen Spott für das Gesindel. Ich muss mich nicht wie ein gemeiner Strauchdieb verhören lassen.«
»Aber das tut doch niemand«, protestierte Anna.
»Wie dem auch sei. Ich habe genug gehört. Wir müssen zurück und dem Vogt berichten.«
Mit einem knappen Nicken verabschiedete sich Rudolfus von Frau Olde und wartete nicht auf Simon, der sich widerwillig murmelnd erhob. Er warf Claas ein kaum hörbares »Bis heute Abend« zu, dann folgte er Rudolfus.
Anna schloss die Tür hinter ihnen und ging zurück in die Küche. »Das hast du prächtig gemacht.« Sie warf Claas einen anerkennenden Blick zu. »Auf jeden Fall lügt der, denn in dem Beutel waren mit Sicherheit keine Kräuter.«
»Meint ihr, der hat etwas mit dem Tod von Jacob zu tun?«, wollte Magda Olde erschüttert wissen.
»Nicht unbedingt, aber vielleicht kennt er jemanden, der damit zu tun hat.« Claas sah den Bütteln durch das Fenster nach. »Ich hoffe, dass wir uns den nicht zum Feind gemacht haben.«
***
Nachdem die Nachrichten des Papstes bei der Zusammenkunft der Bremer Geistlichen besprochen waren, wurden, wie jedes Mal vor dem Sonntag, die Geldbelange erörtert. Der Bremer Erzbischof, Otto II . von Braunschweig-Lüneburg, hielt die Priester einer der umliegenden Pfarrkirchen an, weniger verschwenderisch zu sein.
»Es werden mehr Fässer des schweren Messweins von euch angefordert, als es gute Gläubige in eure Kirche treiben könnte. Außer, sie halten aus irgendeinem Grund euer Gotteshaus für eine Schankstube und euch für die Wirtsleute.«
Hier und da ertönte ein verhaltenes Lachen, das aber schnell wieder verstummte, als man sah, dass es dem Erzbischof durchaus ernst war. Die angesprochenen Priester senkten verlegen ihre Köpfe. Insgeheim wurde vermutet, dass sich ein paar von ihnen bereicherten, indem sie heimlich den teuren Wein weiterverkauften, doch bisher konnte man es keinem nachweisen.
Nach dieser Maßregelung betrachtete der Erzbischof die Liste mit den vorgesehenen Eheschließungen der kommenden Woche, nickte kurz und reichte sie an Heinrich weiter, der sie umgehend verlas: »Der Fischer Lothar Ackermann ehelicht Gesine Weichert. Der Tuchhändler Thomas Sievert ehelicht Sarah Meynecke. Der Steinmetz Claas Zellheyer ehel…«
Es standen noch drei weitere Paare auf dem Pergament, doch Heinrich verschwammen die Buchstaben vor den Augen. Wie war das möglich? Es konnte nicht stimmen, war das Einzige, woran er denken konnte. Stille Sekunden vergingen.
Als der Erzbischof dezent hustete und die anderen leise zu wispern begannen, löste sich Heinrichs Zunge. Er sah kurz in die Runde, räusperte sich und
Weitere Kostenlose Bücher