Rolandsrache
könnte sich eine Scheibe von dir abschneiden!« Plötzlich hielt er inne und schlug sich mit der Hand an die Stirn. »Natürlich!«
Als er Annas verwundertes Gesicht sah, erklärte er: »Als die Büttel bei mir waren, fragte Simon den anderen nach einem Georg, doch Rudolfus sagte, der würde in Oldenburg eine Strafe absitzen. Das scheint aber nicht zu stimmen, wenn er bei der Bäckersfrau war, oder er ist inzwischen wieder hier.«
»Das sind gute Neuigkeiten«, sagte Anna aufgeregt, weil sie nun eine Spur hatten und nicht weiter im Ungewissen suchen mussten.
Claas wischte sich die Hände ab, zog sie zu sich her und streichelte ihre Wange. Anna fühlte sich das erste Mal seit Langem geborgen, und die leise Hoffnung, dass sich heute alles zum Guten wenden würde, erfüllte sie.
Die Gräfin lag zusammengerollt zu ihren Füßen im wärmenden Schein des Feuers und schlief. Zuvor hatte sie ein ordentliches Stück Fleisch abbekommen und gierig verdrückt. Nun träumte sie, und die kleinen Füßchen und Schnurrhaare waren in Bewegung. Anna strich ihr über den kleinen Kopf, womit die Bewegungen aufhörten und ein langes Schnurren ertönte.
Claas betrachtete sie mit lachenden Augen. »Sie ist eine schöne Katze.«
»Finde ich auch. Mutter will, dass sie aus dem Haus kommt, wenn sie etwas größer ist.«
»Ich weiß.«
»Aber sie ist so zart.« Anna machte ein bekümmertes Gesicht.
»Den Pferden geht es im Stall auch gut.«
Damit hatte er recht, und auch die anderen Katzen hatten im Stall gelebt und dort sogar ihre Jungen zur Welt gebracht.
»Aber wenn es ihr nach deiner Wärme gelüstet, könnte sie über den Baum in das Schlafgemach klettern.« Er zwinkerte.
Der Baum vor dem Haus war einige Ellen weit weg, und Anna bezweifelte, dass selbst eine ausgewachsene Katze so weit springen konnte. »Das ist doch zu weit.«
»Nicht, wenn sie die Bretter benutzt, die ich besorgt habe und bald dort anbringen werde.«
»Oh, Claas, warst du deswegen in der Stadt?«
Er nickte mit einem spitzbübischen Grinsen.
»Danke.«
Behutsam nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände, sodass sie ihm in die Augen sehen musste. Ein zärtliches Verlangen spiegelte sich in ihnen wider. Errötend senkte Anna die Lider, doch er griff ihr sachte unter das Kinn und zwang sie liebevoll, ihn anzusehen. Dann küsste er sie, und sie erwiderte den Kuss. Seine Hände glitten wie selbstverständlich über ihre Schultern, streiften das Kleid ein Stück herunter. Sanft fuhren seine Lippen ihren Hals hinab, wanderten über ihre Haut und bescherten Anna ein wohliges Kribbeln.
Die Schmetterlinge in ihrem Bauch, die sie so vermisst hatte, erwachten wieder zum Leben und kreisten wild umher. Langsam glitt seine Hand über ihren Rücken, strich sanft ihren Nacken, und ein Schauer durchströmte sie. Ein leises Stöhnen kam über ihre Lippen, als sein Mund sich zu ihrem Ohr vortastete. Sein Atem beschleunigte sich, und als er mit seiner Hand über ihre Brust strich, spürte sie ein nie zuvor erlebtes Prickeln in ihrem Unterleib.
»Claas …«, hauchte sie.
»So lange hast du mich warten lassen«, flüsterte er.
Zärtlich schmiegte sie sich an ihn und erforschte mit ihren Händen seinen Körper. Seine Haut glitzerte im Schein des Feuers. Sie fuhr mit ihren Nägeln auf seiner Brust entlang, fühlte seine Muskeln. In diesem Moment klappte oben eine Tür. Augenblicklich ließen sie voneinander ab, starrten gebannt auf die Küchentür, während Anna sich ihrer Blöße bewusst wurde.
Ein gedämpftes Schluchzen und die Schritte ihrer Mutter, die oben eine Schublade öffnete und wieder schloss, versetzten Anna einen Stich. Claas fluchte leise vor sich hin, und mit einem Mal war alles wieder da. Trotz des schönen Moments, den sie eben erlebt hatten, trug er vielleicht Schuld daran, dass ihr Vater nicht mehr bei ihnen war und ihre Mutter trauerte.
Abrupt stand Anna auf und richtete ihr Kleid, so gut sie konnte.
»Was machst du?«, fragte Class heiser und starrte sie verwirrt an.
»Ich kann das nicht.«
»Was kannst du nicht?« Nun stand er ebenfalls auf. Seine Brust hob und senkte sich, noch immer außer Atem.
Wut und Abscheu traten an die Stelle von Verlangen und Sehnsucht. Anna schämte sich für die Gefühle, die sie soeben empfunden hatte.
»Das hier.« Sie deutete auf die Stelle, auf der sie soeben gelegen hatten. »Fass mich bitte nie wieder an!« Todunglücklich nahm sie die schlafende Gräfin, die davon hochschreckte, auf den Arm und verließ ohne
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