Rolf Torring 001 - Das Gespenst
Käppi bekleidet, aber mit einem mächtigen Kris bewaffnet, den er im Gürtel trug, schlich lauernd und lauschend den Pfad entlang. Jetzt kam er um die Biegung und war direkt unter uns. Da blieb er stehen und musterte aufmerksam den Boden. Sollte er wirklich aus unseren doch fast unsichtbaren Spuren ersehen können, was da auf dem Pfad geschehen war?
Und doch schien das Unglaubliche wahr zu werden, denn plötzlich richtete der Malaie seine Augen auf das Gebüsch, in das wir eingedrungen waren, und ließ dann seinen scharfen Blick am Stamm des Tamarindenbaumes hinauf gleiten.
Da steckte Rolf seine Pistole aus den Blättern, die uns verbargen, hinaus und sagte gemütlich in malaiischer Sprache, die ja von allen Sprachen auf der Welt am leichtesten zu erlernen ist:
„Bleib stehen, mein Junge, sonst bist du tot!" Dann wandte er sich an mich: „Hans, jetzt mußt du schon hinunter klettern und den Kleinen festhalten, bis ich auch kommen kann. Entwischen darf er uns auf keinen Fall; wenn er fliehen will, muß ich ihn schon durch eine Kugel daran hindern."
Schnell glitt ich an dem mächtigen Stamm hinab, durchbrach das trennende Gebüsch und sprang auf den kleinen Malaien zu. Der Boy machte einen verdächtigen Griff nach seinem Kris, da packte ich seine Arme, riß sie mit kräftigem Griff auf den Rücken und hielt sie eisern fest. Trotzdem es fast ein Knabe war, den ich da in meinen Fäusten hielt, wäre irgendwelche Rücksicht töricht gewesen, denn einen heimtückischen Stich mit dem scharfen Kris in den Unterleib wollte ich doch nicht riskieren. Nach wenigen Augenblicken stand Rolf neben mir und zog dem Burschen die gefährliche Waffe aus dem Gürtel. Jetzt erst ließ ich ihn los, aber Rolf ergriff dafür schnell seinen Arm.
„Warum verfolgst du uns?" eröffnete Rolf das Verhör. Der Malaie versuchte ein völlig unschuldiges Gesicht zu ziehen. „Tuan, ich nur in Wald gegangen, will Mangustans suchen."
Dabei streiften aber seine Augen scheu an der hohen Gestalt meines Freundes empor, und als sie das Gesicht und den zwingenden Blick der Augen trafen, senkten sie sich schnell wieder auf die eigenen Fußspitzen. „Wie heißt du?" „Tomo, Tuan."
„Gut, Tomo, jetzt will ich dir etwas sagen, wenn du nicht sofort die volle Wahrheit gestehst, dann werden wir dich hier an dem schönen Tamarindenbaum aufhängen. Als Warnung für jeden, der mich belügen will."
Rolf hatte so ernst gesprochen, daß der Bursche zu zittern anfing.
„Tuan, ich darf nichts sagen, es wäre mein Tod, schrecklicher als von deiner Hand."
„Nun, Tomo, das ist wenigstens ehrlich gesprochen, und deshalb werde ich dir das Leben schenken. Aber ich verlange, daß du zurückgehst und deinem Herrn unser Zusammentreffen erzählst. Sage ihm, daß ich auf meiner Hut bin. Geh, ich habe dir einmal das Leben geschenkt, treffe ich dich zum zweitenmal hinter mir, dann bist du des Todes. Geh!"
Der Malayenboy warf einen scheuen Blick auf meinen Freund, machte dann plötzlich eine tiefe Verbeugung und verschwand wie ein Wiesel den Pfad hinunter. „Glaubst du wirklich, daß er uns nicht mehr folgen wird?" fragte ich.
„Ich hoffe es, denn sonst müßte ich wirklich zu schärferen Maßnahmen greifen. Aber jetzt müssen wir uns beeilen; wir haben viel Zeit durch den kleinen Kerl verloren, der mir übrigens ganz gut gefiel."
Ziemlich nachdenklich zwängte sich Rolf in das Gebüsch und holte den Wolfshund, der sich völlig still verhalten hatte, dann folgten wir, fast im Trab, dem Elefantenpfad weiter, bis wir die Lichtung erreichten, auf der sich am vergangenen Abend das blutige Drama der Wildnis abgespielt hatte.
Pinh nahm sofort an der Stelle, an der unser Riese mit dem Tapir in die Büsche gebrochen war, eine Spur auf und folgte ihr leise knurrend und mit gesträubten Haaren. „Siehst du, ich hatte doch recht", lächelte Rolf. Dann ging es im Hetztempo mitten in den furchtbaren Urwald hinein.
5. Kapitel Eine Katastrophe
Es war ganz gut, daß Rolf sein schweres Haumesser mitgenommen hatte. Denn wenn auch der schwarze Riese mit seiner schweren Last einen Pfad gebrochen hatte, so legten sich doch von allen Seiten wieder Lianen und Dornenranken über den nur angedeuteten Pfad, die Rolf zur Seite schieben oder abhauen mußte, um mir freien Weg zu schaffen. Und wenn ich zuerst auch nur mit stillem Mißvergnügen das Amt des Trägers übernommen hatte, so freute ich mich jetzt doch, als ich ihn so eifrig und schweißtriefend arbeiten sah.
Unser Weg stieg
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