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Rolf Torring 015 - An Tibets Grenze

Rolf Torring 015 - An Tibets Grenze

Titel: Rolf Torring 015 - An Tibets Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Warren
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von der linken Seite der Lichtung, also konnte es nicht von Rolf oder Brough herrühren. Sollte vielleicht unser Reitelefant zurückkommen? Oder war es ein neuer Feind?
    Ich sollte nicht mehr lange im Zweifel bleiben. Ein dichter Busch bewegte sich, ein großer Körper zwängte sich hindurch, und plötzlich erschien zwischen den unteren Ästen des Busches — der Kopf eines mächtigen Tigers.
    Das hatte uns ja noch gefehlt. Wenn ich jetzt schoß, würden die Wildhunde auf unser Lager aufmerksam werden. Rolf und Brough müßten schnellstens fliehen und würden dem Tiger in die Pranken laufen wenn ich nicht gut traf. Ließ ich ihn aber vorbei, dann war es leicht möglich, daß er sich in der Nähe aufhielt und auf die zurückkommenden Gefährten einen überraschenden Angriff machte.
    Während ich blitzschnell überlegte, was am besten zu tun sei, nahm ich doch schon mechanisch mit vorsichtigen Bewegungen meine Büchse. Dabei behielt ich den Tiger, der sich jetzt vollends auf die Lichtung geschoben hatte, scharf im Auge.
    Es war ein ganz enorm großes Exemplar, und mein Jägerherz malte sich schon die Freude an dem mächtigen Fell aus. Da wandte er den riesigen Kopf zurück, als erwarte er noch einen Genossen. Und wirklich war wieder eine leise Bewegung im Gebüsch zu sehen. Also ein Pärchen, dann wurde der Kampf natürlich gefährlicher.
    Wollte ich ihn mit Erfolg zu Ende führen dann mußte ich schnell handeln, denn unser Zweiglager war nicht so hoch vom Erdboden, daß es ein Tiger im Sprung nicht hätte erreichen können. Ich mußte den ersten Tiger mindestens sehr schwer verwunden, ehe der zweite auf der Lichtung erschien.
    Langsam hob ich die Büchse. Doch verblüfft ließ ich die Waffe wieder sinken, denn durch die Büsche hatte sich ein Mensch gedrängt: ein hochgewachsener, schlanker Mann in weißem Seidengewand und weißem Turban. Er trat neben den mächtigen Tiger, gab ihm einen Schlag mit der Hand auf den Rücken, und die riesige Bestie trabte wie ein wohlerzogenes Hündchen weiter.
    Das hätte mich vielleicht nicht so sehr in Verwunderung gesetzt, denn an den Maharadscha-Höfen gibt es ja genug zahme Tiger, aber der Mann — war ein Europäer. Das erkannte ich deutlich, denn wenn seine Farbe auch dunkelbraun von der Sonne gegerbt war, hatte er doch ausgesprochen kaukasische Gesichtszüge, der beste Beweis aber waren seine großen Augen, die in hellstem Blau leuchteten.
    Mitten im Urwald ein Europäer in indischen Gewändern mit einem zahmen Tiger, — das hätte ich wirklich nie erwartet, und vor Erstaunen saß ich völlig unbeweglich. Das ungleiche Paar überquerte die Lichtung und verschwand zwischen den Gebüschen auf der rechten Seite.
    Ich rieb mir die Augen, ob ich geträumt hätte, aber es half alles nichts, ich hatte es tatsächlich bei klaren Sinnen gesehen. Und im gleichen Augenblick rief der Lord leise:
    „Haben Sie den Mann mit dem Tiger gesehen, Warren, oder war es eine Fieberphantasie?"
    „Ich habe ihn auch gesehen, Lord, und bin froh, daß ich einen Zeugen habe. Aber erklären kann ich es mir wirklich nicht. Den Augen nach zu urteilen, muß es unbedingt ein Deutscher oder wenigstens ein Nordländer gewesen sein. Aber wie ist er wohl hierher in die Wildnis gekommen?"
    „Und hat einen mächtigen, zahmen Tiger," ergänzte der Lord. "Indien steckt wirklich voller Geheimnisse, die wenige ahnen."
    „Wenn nur Rolf und Brough bald ... ah, da kommen sie ja schon," unterbrach ich mich.
    Wir hatten uns natürlich nur flüsternd unterhalten denn der Geheimnisvolle mit seinem Tiger konnte ja noch in allernächster Nähe sein. Jetzt beugte ich mich weit über unser Zweigplateau, legte den linken Zeigefinger an die Lippen und winkte eifrig mit dem rechten Arm.
    Rolf sah es, stieß Brough an, und beide liefen schnell über die Lichtung. Ich atmete auf, als sie endlich neben mir auf dem Lager saßen. Leise berichtete ich ihnen das Auftauchen des Fremden mit seinem zahmen Tiger.
    „Sehr sonderbar," meinte Rolf sinnend, „er muß doch hier in der Nähe eine Unterkunft haben. Ich halte es für ratsam, daß wir ihm nachschleichen. Wir dürfen es nicht versäumen, diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen"
    „Was, du willst jetzt hinter ihm her?" fragte ich erstaunt. „Und die Dolen hast du sie ganz vergessen?"
    „Sie haben sich über den Rogue hergemacht," flüsterte Rolf, „und werden sich so satt fressen, daß wir kaum etwas von ihnen zu befürchten haben. Aber ich möchte nicht von hier fort, ohne dem

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