Rolf Torring 023 - Die Bande Sao-Shungs
doch jeder Verurteilte eine Henkersmahlzeit. Ich muß wirklich gestehen, daß ich heftigen Durst habe, und ebenso meldet sich auch mein Magen."
Sao-Shung musterte meinen Freund erstaunt, dann sagte er fast anerkennend:
„Sie scheinen sehr tapfer und kaltblütig zu sein. Das freut mich, denn Sie können es in drei Stunden beweisen. Ich werde Ihren Wunsch erfüllen, denn Sie werden desto widerstandsfähiger sein."
Als er unser Gefängnis verlassen hatte, meinte ich leise:
„Drei Stunden nur noch, das ist ziemlich knapp. Und jetzt kommt wieder die Störung durch das Essen. Glaubst du wirklich, daß wir uns noch befreien können?"
„Ich habe mich soeben unauffällig im Raum hier umgesehen," flüsterte Roll. „Drüben in der Ecke sind mächtige Haken eingeschlagen, die können wir vielleicht als Hebel benutzen, um unsere Fesseln zu zerbrechen. Wir müssen die kurze Stahlkette um den Haken herumschlingen und versuchen, sie durch Drehen zu zerreißen. Wenn jetzt das Essen kommt, müsst ihr euch auch die Haken ansehen."
Wir brauchten nicht lange zu warten, dann kreischten die Riegel unseres Gefängnisses wieder, Lichtschein fiel herein, und Sao-Shung trat in Begleitung von vier Chinesen herein, die Krüge und Schüsseln trugen. Wie die Kinder wurden wir von ihnen gefüttert und getränkt — es war ein wohlschmeckendes Fleischgericht und schwacher Wein, anscheinend aus Reis gebraut.
„In drei Stunden also, meine Herren," sagte Sao-Shung lächelnd, als er sich mit seinen Dienern entfernte, „ich freue mich wirklich, daß Sie so ruhig und tapfer sind. Ich glaube aber nicht, daß Sie es nachher auch sein werden."
Als sich die Schritte der Chinesen entfernt hatten, sagte ich:
„Er scheint wirklich hübsche Sachen mit uns vorzuhaben. Na, jetzt wollen wir erst einmal probieren, ob wir die Fesseln zerbrechen können."
Leise gingen wir in die Ecke, in der Rolf die starken Haken entdeckt hatte. Sie waren in verschiedener Höhe eingeschlagen, anscheinend hatte dieser Raum früher als Werkzeug- oder Waffenkammer gedient. Jetzt kam uns dieser Umstand sehr zugute, denn wir konnten «bequem mit den auf dem Rücken gefesselten Händen einen Haken erreichen.
Wie Rolf vorgeschlagen hatte, legten wir die Kette, mit der die beiden Stahlmanschetten, die unsere Handgelenke umspannten, verbunden waren, über den Haken und begannen dann vorsichtig die Kette hin und her zu biegen.
Zwar schnitten dabei die Stahlmanschetten schmerzhaft ins Fleisch, aber das durfte uns nicht abhalten. Mit zusammengebissenen Zähnen drehte ich die Kette hin und her. Der Haken gab wirklich einen guten Hebel ab. nach einiger Zeit mußte der Stahl brechen.
Und die Schmerzen trieben mich zu immer verzweifelteren Anstrengungen an. Lieber jetzt die Haut etwas abgeschunden, als nachher die Foltern der Chinesen zu erleiden.
Ich merkte bereits, daß die Kette bald nachgeben mußte, da rief Rolf neben mir befriedigt.
„So, das wäre gemacht. Wie weit seid ihr?"
„Pongo frei," sagte der schwarze Riese.
„Meine Kette muß jeden Augenblick brechen," stieß ich hervor, machte noch einige verzweifelte Anstrengungen — und war ebenfalls frei.
„So," ordnete Rolf an, „jetzt kommt es nur noch darauf an, daß wir hier herauskommen. Ich möchte nicht warten, bis wir von den Chinesen abgeholt werden, denn Sao-Shung hat sicher seine Pistolen schußbereit. Die Riegel an der Tür scheinen allerdings sehr stark zu sein, aber wir müssen doch versuchen, daß wir sie zerbrechen können. Pongo, wir müssen uns mit aller Kraft gegen die Tür stemmen."
„Aber Rolf, das müssen die Chinesen doch unbedingt hören," wandte ich ein, vielleicht finden wir hier irgendeinen Nagel, mit dem wir die Riegel zurückschieben können."
„Das dauert zu lange," gab Rolf zurück, „wir müssen so schnell als möglich heraus. Außerdem werden die Chinesen oben an Deck das Geräusch kaum hören. Zu uns dringt ja auch kein Laut von oben herunter. Also vorwärts."
Wir tasteten uns zur Tür. legten die Schultern gegen und stemmten uns mit aller Kraft gegen das starke Holz. Wohl ächzte die Tür sofort, aber die Riegel hielten immer noch. Da trat Pongo einen Schritt fort und warf sich dann mit seiner gewaltigen Kraft gegen das Holz.
Und jetzt öffnete sich die Tür schon einen kleinen Spalt. Die Riegel waren durch den gewaltigen Ruck teilweise aus dem Holz herausgerissen worden. Jetzt lauschten wir erst durch diesen Spalt hinaus, ob das ziemlich starke Geräusch von den Chinesen
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