Rolf Torring 023 - Die Bande Sao-Shungs
drüben schon die weiße Flagge gezeigt," berichtete er lächelnd, „vielleicht glauben sie, daß sie ihr Leben retten können. Aber ich darf leider keine Zeugen leben lassen."
„Sie sind ein Teufel," rief Rolf empört, „was haben Ihnen diese harmlosen Menschen getan?"
„Sie haben mir nichts getan," lächelte Sao-Shung, „aber sie dürfen nicht am Leben bleiben, weil sie mich sonst verraten würden. Ich bin in Shanghai sehr bekannt als reicher Großkaufmann, der wegen seiner Mildtätigkeit hoch geachtet wird. Es wäre schade, wenn da bekannt würde, daß ich in Wirklichkeit Bandenführer und Pirat bin. Beruhigen Sie sich aber, die Leute werden erschossen, sie finden einen schnellen Tod."
„Kommt, wir stehen auf," sagte Rolf ruhig, „vielleicht können wir sie doch noch warnen."
Ich hielt diesen Vorschlag für schlimmer als Selbstmord, wurde doch Sao-Shung nur unnütz gereizt, aber Rolf erhob sich bereits so energisch, daß ich wohl oder übel dasselbe tun mußte, vor allen Dingen, da Pongo ebenfalls dem Beispiel Rolfs folgte und mich einfach emporzog.
Wir standen jetzt nebeneinander vor dem Mast. Vielleicht fünfzig Meter von der Dschunke entfernt, schlingerte ein kleiner, eiserner Frachtdampfer, dessen kurzer Mast mit einer weißen Fahne versehen war.
Sao-Shung nahm jetzt ein Sprachrohr, trat dicht an die Reling und brüllte hinüber:
„Steigt in die Boote und fahrt fort, sonst müssen wir Euch erschießen."
Dann trat er zurück und sagte grinsend zu Rolf:
„Sobald sie in den Booten sind, werden sie abgeschossen. Dann plündern wir in aller Ruhe den Dampfer aus und versenken ihn."
Da rief Rolf mit aller Kraft seiner Stimme zum Dampfer hinüber:
„Verrat, nicht in die Boote!"
Sao-Shung sprang sofort mit erhobener Faust auf ihn zu, mußte dabei aber an Pongo vorbei und flog im nächsten Augenblick durch einen furchtbaren Fußtritt des Riesen krachend gegen die Reling, an der er reglos liegen blieb.
Ich war einfach wütend auf Rolf, denn seine gutgemeinte Warnung hatte ja doch keinen Zweck. Die Besatzung des Frachtdampfers war ja auf jeden Fall verloren, wir aber waren jetzt der grausamen Rache des Piraten überliefert.
Und doch sollte Rolfs Vorgehen unsere Rettung sein. Auf dem Frachter war ein Mann aufgetaucht, der einige Sekunden mit einem Fernglas zu uns hinüber blickte. Dann verschwand er wieder hinter der hohen Reling. Plötzlich fielen drüben in den Seiten des schwarzen Eisenrumpfes einige Klappen herab, zwei Kanonenschüsse krachten, und die Granaten flogen schmetternd unter Wasser in den Rumpf der Dschunke.
Und gleichzeitig wurde die Holzreling der Dschunke von wütendem Maschinengewehrfeuer zersplittert, das schon bei den ersten Garben mehrere Piraten umwarf. Hinter dem Frachter aber schoß gleichzeitig ein typischer Zerstörer hervor, jagte in kurzem Bogen auf die andere Seite der Dschunke, und schon nach wenigen Augenblicken sprangen japanische Marinesoldaten auf unser Deck.
Das Feuer drüben hatte gestoppt, aber die dunklen Öffnungen der Kanonen und Maschinengewehre drohten noch immer hinüber. Die Piraten waren durch diesen plötzlichen und blitzschnellen Überfall vollkommen überrascht. Sie ließen sich von den Soldaten gefangen nehmen, ohne überhaupt an Widerstand zu denken.
Ein höherer Offizier, der sich mit als erster aufs Deck der Dschunke geschwungen hatte, trat auf uns zu und sagte höflich, in tadellosem Englisch:
„Gestatten, ich bin Kapitän Osaki. Ich danke Ihnen für Ihre gutgemeinte Warnung und freue mich, daß wir dadurch auf Sie aufmerksam wurden. So konnten die Maschinengewehre meines maskierten Kameraden dort drüben ihr Feuer am Mast vorbei richten Ich werde Sie sofort befreien lassen."
„Herr Kapitän, nehmen Sie den Mann dort fest, den mein Gefährte hinüber geschleudert hat, es ist der Anführer."
Sofort gab Osaki zwei Soldaten einen Befehl, die schnell zu Sao-Shung sprangen und ihn fesselten. Dann kamen sie zurück und meldeten stramm etwas.
„Ah. das ist bedauerlich," meinte der Kapitän zu uns,, „der Anführer hat eine Kugel bekommen, während er dort lag. Er wird nicht mehr lange leben."
Ein Soldat hatte inzwischen den Strick zerschnitten, der uns am Mastbaum hielt, und sofort gingen wir, immer noch mit gefesselten Händen, hinüber, wo der Piratenkapitän lag.
Als Osaki ihn erblickte, fuhr er betroffen zurück, dann aber rief er fast erfreut:
„So habe ich doch recht behalten. Schon immer hatte ich Sao-Shung im Verdacht, wenn er
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