Rolf Torring 054 ~ Die Indianer Südamerikas
sehr beherrschen," sagte Rolf etwas unruhig, „ich glaube, es ist besser, wenn wir uns bis zum Einbruch der Dunkelheit in irgendein Versteck zurückziehen. Am besten vielleicht zu der kleinen Lichtung, auf der unser Gefangener ist."
Schnell erhoben wir uns und liefen das kurze Stück zurück. Tari war inzwischen zum Bewußtsein gekommen. An seinem verzerrten, schweißbedeckten Gesicht konnten wir sehen, daß er verzweifelte Anstrengungen gemacht hatte, sich zu befreien.
Aber Pongos Fesseln hatten sich nicht um einen Millimeter gelockert. Rolf winkte uns plötzlich zu und schritt hinter einen mächtigen Baum, so daß Tari uns weder sehen noch hören konnte.
„Es ist noch eine halbe Stunde bis zum Einbruch der Dunkelheit," flüsterte er, „und da ist es entschieden ratsamer, wenn wir sehr vorsichtig sind. Ich habe das unheimliche Gefühl, daß dich der Häuptling doch gesehen hat, Hans. Gerade weil er seinen Sohn schon ungeduldig zurückerwartete, war sein Blick bestimmt aufmerksam und geschärft. Er kann dich bemerkt haben, hat aber keine Miene verzogen, um sich nicht zu verraten."
Rolf blickte ruhig an dem mächtigen Baum empor, unter dem wir standen. „Wir klettern einfach in die Zweige hinauf," sagte er dann, „aber recht leise, damit Tari nichts hört. Dort oben können wir in aller Ruhe die Dunkelheit abwarten. Es geht hier sehr gut, da viele Lianen herabhängen, an denen wir emporklettern können."
Sein Rat war allerdings etwas übertrieben vorsichtig, aber auf jeden Fall gut. Rolf schwang sich schon, ohne unsere Antwort abzuwarten, gewandt an einer armdicken Liane hoch und war bald zwischen den untersten Ästen des riesigen Baumes verschwunden.
Ich folgte ihm jetzt, während Pongo noch stehen blieb und aufmerksam lauschte, ob vielleicht die Indianer schon nahten. Als ich in Höhe der ersten Zweige war, sah ich, daß der weitere Aufstieg sehr einfach war. Ich konnte von der Liane direkt auf einen starken Ast treten und dann an den anderen, wie auf einer Leiter hinaufklettern,
Bald stieß ich auch auf Rolf, der ziemlich oben saß.
„Komm her," flüsterte er, „von hier aus kann man den Pfad überblicken, auf dem die Indianer kommen müßten."
Tatsächlich war durch Zufall ein Durchblick zwischen den Ästen auf den Pfad möglich. Und kaum hatte ich neben Rolf Platz genommen, als er meinen Arm ergriff.
Ich sah im gleichen Augenblick, daß vier dunkle Gestalten aufgetaucht waren, vier Indianer, die vorsichtig, gebückt vorschlichen, in den Händen schußbereite Bogen.
Jetzt segnete ich den vorsichtigen Rat Rolfs, denn unten auf der Lichtung hätten sie uns leicht überraschen und unschädlich machen können.
„Schade," flüsterte Rolf, „sie werden Tari finden und befreien. Ich hätte ihn gern als Geisel, eventuell zum Austausch gegen den Europäer, behalten. Schade!
Wir zuckten beide zusammen, denn plötzlich erlitt der Ast, auf dem wir saßen, eine leise Erschütterung. Es war Pongo, der völlig geräuschlos heraufgekommen war.
„Indianer kommen, Massers," sagte er leise, „werden Gefangenen befreien. Oh, dort sind sie."
Er hatte jetzt den Durchblick durch die Zweige erspäht und betrachtete aufmerksam die vier Indianer, die sehr zögernd vorgingen.
„Haben Angst," sagte er verächtlich, „was meinen Massers, wenn die vier Mann gefangen nehmen?"
Das war allerdings wieder ein ganz neuer Vorschlag, der unter Umständen von größter Wichtigkeit für uns sein konnte. Dann hatten wir fünf Indianer als Geiseln, darunter den Häuptlingssohn, — und das war vielleicht unsere stärkste Waffe.
Rolf überlegte nicht lange.
„Pongo hat recht," sagte er entschieden, „wir müssen es versuchen. Mag es auch tollkühn sein, wir können dann aber den Gefangenen leichter befreien."
3. Kapitel. Eine gefährliche Nacht.
Unser Vorhaben war allerdings leichter gedacht als ausgeführt. Immerhin hatten wir doch vier Feinde gegen uns, die sehr vorsichtig und mißtrauisch waren und auf deren Ruf sofort eine große Anzahl Krieger erscheinen würden. Mir persönlich war es noch ganz unklar, wie Rolf sich eine geräuschlose Überwältigung der Indianer gedacht hatte.
Er machte auch ein nachdenkliches Gesicht, denn wir hatten ja nirgends einen Ort, an dem wir uns so verstecken konnten, daß sie uns nicht sehen würden. Außerdem mußte aber dieser Ort so
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