Rolf Torring 062 - Der Perlentaucher
unscheinbaren Jungen hätte wohl niemand derartige Reichtümer vermutet.
Als das Kanu am Strand auflief, sprang Rolf plötzlich empor.
„Wir müssen doch schon los," stieß er hervor. „Schnell. Unsere Büchsen müssen wir mitnehmen, vielleicht kommen wir gar nicht mehr hierher zurück. Herr Godfrey, nehmen Sie zwei Soldaten mit, sie sollen uns in weitem Abstand folgen."
Ich konnte mir die plötzliche Eile Rolfs gar nicht erklären, und auch der Kommandant machte ein sehr verwundertes Gesicht. Doch er erhob keinen Widerspruch, fragte auch nicht weiter, er mochte wohl schon erkannt haben, daß Rolf stets richtig handelte.
In Eile rüsteten wir uns zum Aufbruch, Rolf trieb uns ununterbrochen an, dann liefen wir über das Fallreep hinunter, hinter uns, in weitem Abstand, folgten die beiden Soldaten.
Auf dem Strand blickte Rolf umher, machte eine ärgerliche Handbewegung und sagte:
„Wir waren doch zu langsam. Hoffentlich hat er es nicht schon gestern besorgt, dann wäre mein ganzer Plan in Frage gestellt. Herr Godfrey, führen Sie uns schnell zu dem Agenten Finder."
„Was hat er denn getan?" meinte der Kommandant verwundert, aber er ging schnell zwischen den zahlreichen Zelten hindurch, uns voraus. Fox schüttelte mehrmals den Kopf, offenbar konnte er sich nicht zusammenreimen, was Rolf eigentlich beabsichtigte.
Ich ahnte schon ungefähr, was Rolf sich kombiniert hatte, kam aber seinem Grundgedanken doch nicht auf die Spur. Als wir jetzt einen kleinen Platz erreichten, wies Godfrey auf ein geräumiges Zelt, das ungefähr dreißig Meter entfernt stand.
„Dort wohnt Finder," sagte er. "Ah, da kommt ja Wansa heraus. Er hat sicher seine Perlen, die er heute fortschicken will, versichern lassen."
Der Bootsbesitzer hatte das Zelt verlassen, faltete jetzt ein Papier zusammen und barg es sorgsam in seiner Kleidung. Dann winkte er dem kleinen Malaienboy, der in kurzer Entfernung wartend dastand, und verschwand mit ihm zwischen den nächsten Zelten.
„Schnell, ihm nach," rief Rolf, „ich muß wissen, welchen Weg er den armen Boy schickt. Solche Teufel! Selbst dieses junge Blut wollen sie nicht schonen. Herr Godfrey, fragen Sie schnell den Agenten Finder, ob Wansa die Perlen versichert hat, dann folgen Sie uns. Sie müssen sich aber beeilen, damit Sie uns einholen können."
Godfrey schüttelte verwundert den Kopf, sprang uns aber schnell voraus und eilte ins Zelt des Agenten.
Wir gingen zwischen den Zelten hindurch, zwischen denen Wansa mit dem Malaienboy verschwunden war, und Rolf atmete tief auf, als wir die beiden in einiger Entfernung vor uns erblickten.
„Er geht ja geradeaus" sagte da Fox, „dort beginnt der alte Urwaldpfad, der über Anuradhapura nach Colombo führt. Ich wundere mich, daß er den Jungen nicht per Bahn schickt. Allerdings ist der Fußweg für den Kleinen vielleicht ungefährlicher, denn die Bande wird natürlich auch die Eisenbahn genau kontrollieren, sind doch auch dort in letzter Zeit mehrere rätselhafte Diebstähle vorgekommen."
„Oh, Wansa weiß, weshalb er den Jungen gehen läßt," stieß Rolf grimmig hervor, „auf der Eisenbahn könnte die Sache vielleicht doch nicht so klappen ! Nun, Herr Godfrey, wie hoch hat er sie versichert?"
„Donnerwetter," keuchte der Kommandant, „Sie haben wirklich einen feinen Spürsinn, Herr Torring, Wansa hat die fünf Perlen mit dreitausend Pfund versichert. Da erleidet er sicher keine Einbuße, wenn sie ihm auch gestohlen werden."
„Oh, ich glaube, er hätte auf keinen Fall eine Einbuße erlitten," meinte Rolf. „Doch da ist ja schon der Wald. Aha, er gibt dem Jungen noch eine Anweisung, so, jetzt kommt er zurück. Schnell, hier zwischen die Zelte, wir wollen ihn etwas überraschen."
Verwundert und äußerst gespannt folgten wir der Anweisung meines Freundes. Was er eigentlich vorhatte, wußten wir ja immer noch nicht, wenn wir jetzt auch ahnten, daß er es auf Wansa abgesehen hatte.
„Herr Godfrey," flüsterte er da schnell dem Kommandanten zu, „Wansa hat Herrn Finder doch die Perlen gezeigt?"
„Ja, Finder war ganz entzückt."
„Nun, dann ist es gut, dann kann ich ihn sofort überführen. Aufgepaßt."
Wansa schlenderte nichtsahnend heran. Als er direkt vor uns war, traten wir aus der schmalen Gasse zwischen den Zelten heraus, und Rolf stellte sich dicht vor den Bootsbesitzer hin.
Der Inder
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