Rolf Torring 062 - Der Perlentaucher
betäubt, dalag, vorbei. Im gleichen Augenblick, als er vor dem schwarzen Riesen war, zog Pongo seine Beine an, schnellte sie dann mit furchtbarem Ruck vor, und aufheulend flog Nanja bis an den Eingang des Zeltes, wo er zusammenbrach und reglos liegen blieb.
Da richtete sich Pongo auf und rutschte mit seinem Rücken gegen Rolfs Rücken. Ich wußte, daß er ihm die Fesseln losknüpfen wollte, und wartete fiebernd auf den Augenblick, da Rolf endlich frei wäre. Doch die Banditen schienen das Fesseln gut zu verstehen, denn eine Minute nach der anderen verstrich, und immer noch arbeitete Pongo mit aller Kraft.
„Ah, da bin ich gerade zur rechten Zeit gekommen," sagte plötzlich eine spöttische Stimme vom Eingang her. „Auseinander da, sonst ersteche ich euch!"
Ein hochgewachsener Inder stand im Eingang, den Turban tief in die Stirn gezogen. Mit schneller, energischer Bewegung riß er ein langes Messer aus seinem Gewand und ging rasch auf Rolf und Pongo zu.
An seinen schnellen, kraftvollen Bewegungen sah man, daß er ein sehr gefährlicher Gegner war, und Pongo rückte auch sofort ein Stück von Rolf fort und legte sich ruhig wieder auf den Rücken.
Rolf tat dasselbe, aber der Inder lachte nur, packte Rolf und drehte ihn um. Dabei sagte er:
„Ich will doch lieber nachsehen, ob der schwarze Bursche die Fesseln nicht schon gelockert hat."
An diesem Ausdruck erkannte ich, daß es sich wieder um einen verkleideten Europäer handelte. Die Bande schien wirklich aus weißen und eingeborenen Schurken erster Güte zu bestehen, kein Wunder, daß sie solange unentdeckt geblieben war, wenn selbst Detektive zu ihren Mitgliedern zählten.
Der Neuankömmling zeigte ein so energisches Auftreten, daß ich keine Zweifel hegte, er wäre der „Erste", den Honders erwartet hatte. Aber er hatte doch unseren Pongo unterschätzt, dessen Kraft und Geschmeidigkeit er ja auch nicht kennen konnte.
Als er sich jetzt über Rolf beugte, hob der schwarze Riese blitzschnell die gefesselten Beine hoch empor und ließ sie dann mit furchtbarer Gewalt auf das Genick des Mannes niedersausen.
Lautlos brach der Getroffene zusammen und blieb neben Rolf reglos liegen.
Wieder rollten sich beide Rücken an Rücken, und nach wenigen Minuten waren Rolfs Hände frei. Die Waffengürtel hatten uns die Banditen nicht abgeschnallt; Rolf zog sein Messer und durchschnitt seine Fußfesseln. Dann, nachdem er uns befreit, fesselte Rolf schon Nanja, der anfing, zu stöhnen und sich zu bewegen.
Die Bande schien mit unserem Besuch gerechnet zu haben, denn in einer Ecke des Zeltes lag ein Haufen kurzer Stricke, die für Fesseln sehr geeignet waren. Wir banden jetzt den großen Europäer, der beinahe Rolfs Befreiung verhindert hätte. Fox nahm seine Taschenlampe in die Hand und ließ den grellen Schein ins Gesicht des Bewußtlosen fallen, — und da prallte er förmlich zurück, griff sich an die Stirn und stöhnte fassungslos:
„Um Gottes willen, das ist ja Lindsay, der Chef unserer Geheimpolizei! Ist denn das möglich? Oder äfft mich nur eine Ähnlichkeit?"
Er beugte sich wieder über den Gefesselten, betrachtete ihn nochmals genau und sagte dann tonlos:
„Ja, er ist es doch. Er hat die eigenartige Narbe am Kinn. Herrgott, das hätte ich allerdings nicht gedacht!"
„Sie werden vielleicht noch mehr Überraschungen erleben," meinte Rolf, „ich habe es Ihnen ja gleich prophezeit. Doch wir haben keine Zeit zu Betrachtungen. Die vier Männer können jeden Augenblick zurückkommen, hoffentlich haben sie Smarda nicht überrumpelt. Wir müssen uns jetzt teilen. Sie, Herr Fox, bleiben mit Hans hier im Zelt, um sie zu empfangen, wenn sie zurückkommen. Ich werde mit Pongo hinausgehen, um dort nach ihnen zu sehen. Vielleicht haben sie Smarda doch überwältigt und wir können ihn noch retten. Wenn sie hier hineinkommen, müssen sie ganz rücksichtslos niedergeschlagen werden. Wir dürfen keine Schonung kennen."
Rolfs Plan war der beste, und so konnten wir nichts dagegen sagen, obwohl ich ja gern mit hinausgegangen wäre. Aber schließlich war die Aufgabe im Zelt auch sehr wichtig. Wir legten die Körper der beiden Niedergeschlagenen, denen wir aber zur Vorsicht noch Knebel gaben, nebeneinander, sodaß die Blicke der Eintretenden gleich auf sie fallen mußten. Vielleicht ließen sie sich dadurch täuschen und kamen schnell zusammen herein.
Rolf und Pongo
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