Rolf Torring 111 - Der Todesweg
gefunden und mitgenommen hatten, gefesselt. Auch den Mundknebel vergaßen wir nicht, damit er sich nicht durch Schreien bemerkbar machen könnte.
Das Messer, das der Malaie bei sich trug, nahmen wir an uns. Jetzt konnten wir dem zweiten Wächter offen entgegentreten; mehr als die beiden Männer würden den Tempel nicht bewachen, sonst hätten wir sie sicher schon bemerkt.
In aller Ruhe konnten wir jetzt zu den Gefährten hinabsteigen. Eine alte, ausgetretene Holztreppe führte nach unten. Als wir die Treppe hinuntergestiegen waren, lag links eine Tür. Wohin führte sie? Wir lauschten. Deutlich hörten wir die Stimme des zweiten Wächters. Aber er unterhielt sich nicht mit einem Menschen, er sprach mit den Tigern.
Wir wagten es, die Tür einen Spalt zu öffnen. Da sahen wir ein friedliches Bild. Der zweite Malaie — die Tür führte unmittelbar in den Vorhof — stand neben dem Tiger und kraulte ihm den Kopf, als wäre die Raubkatze ein kleiner Hund. Nach einer Weile schickte der Malaie den Tiger fort und wandte sich der Tür zu, hinter der wir standen. Sofort zogen wir uns eine Stück zurück, um unsern zweiten Wächter zu überraschen.
Sekunden später öffnete und schloß er die Tür, durch deren Spalt wir eben noch geschaut hatten. Wir warteten noch zwei, drei Sekunden, hinter einem Pfeiler verborgen, und stürzten uns dann beide auf den ahnungslosen Mann. Ich riß ihm sofort das Messer aus dem Gürtel, Rolf wandte wieder einen unfehlbaren Jiu-Jitsu-Griff an. Auch ihn fesselten wir mit Stricken, die wir aus der Kammer oben mitgenommen hatten, und zwängten ihm einen Knebel in den Mund. Gemeinsam trugen wir ihn die alte Treppe hinauf nach oben, wo wir ihn neben seinen Kameraden legten. Um zu verhindern, daß sich die beiden gegenseitig befreiten, banden wir sie außerdem an die Wand fest.
Jetzt konnte uns hier nichts mehr geschehen. Wir stiegen zu den Kameraden hinunter, um ihnen Bericht zu erstatten und nach einem Fluchtweg zu suchen.
4. Kapitel Der Diamant des Fürsten von Matan
Wenn uns die Wächter auch nicht mehr gefährlich werden konnten, so waren wir doch noch nicht frei. Die Aufgabe, den Vorhof zu überqueren, auf dem die Tiger frei herumliefen, stand uns noch bevor.
Wir gingen zu der Tür, hinter der wir den zweiten Malaien überwältigt hatten, und öffneten sie ein wenig. Auf dem Hofe lag, gar nicht weit entfernt, ein prächtiger Tiger; ich habe selten wieder ein so schönes Exemplar gesehen. Vielleicht war es das Lieblingstier des Oberpriesters, denn — kaum hatte er das leise Geräusch vernommen, das das öffnen der Tür verursacht hatte — erhob er sich und schritt majestätisch auf die Tür zu. Wir hatten die Tür inzwischen fast ganz geöffnet. Als der Tiger uns erblickte, blieb er überrascht stehen.
Rolf schloß die Tür nicht, sondern ergriff von dem neben der Tür aufgebauten Holztisch ein Stück Fleisch — der Tisch diente offensichtlich den Futtervorbereitungen der Tigermahlzeiten — und hielt es dem Tier entgegen. Der Tiger schnurrte behaglich, kam langsam auf Rolf zu und nahm vorsichtig das Stück Fleisch aus seiner Hand, legte sich und verzehrte es.
Nachdem er es verzehrt hatte, erhob er sich wieder. Da wurde Rolf tollkühn. Er trat noch einen Schritt vor, streckte den rechten Arm aus und rief dem Tiger in malaiischer Sprache zu:
„Geh fort! Leg dich nieder!"
Wirklich trottete der Tiger davon und legte sich in einiger Entfernung nieder, ohne uns weiter zu beachten.
„Wenn wir uns mit dem zahmen Tier anfreunden, können wir vielleicht von hier, von der Rückseite des Tempels, den Vorhof überqueren, Hans."
„Dort ist der Tigerkäfig, Rolf. Vielleicht gelingt es uns, die Tiere einzusperren."
„Gut, Hans! In der Kammer liegt noch genug Fleisch. Damit können wir die Tiger locken. Wir werden das Fleisch in den Käfig werfen. Wenn die Tiger hineingegangen sind, schließen wir die Schiebegitter, die wir an dieser Seite nur hinunterzulassen brauchen. Sieh dir das an"
Rolf war, gefolgt von mir, an den Käfig herangetreten, der in eine Zwischenmauer, die den hinteren Hof, in dem wir uns befanden, vom größeren Vorhof abschloß, eingelassen war. Der Käfig war so groß, daß bequem zwanzig Tiger darin Platz hatten. An beiden Seiten befanden sich Schiebetüren, die durch Seilzug bedient wurden.
Wir standen ganz in der Nähe des Königstigers, den Rolf
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