Rolf Torring 119 - Doktor Tjus Karawane
Aufgabe.
Wir fragten den Oberst weiter, mit welchen Waren Doktor Tju Handel treibe, der Oberst meinte, er habe sich wohl nicht auf eine Branche festgelegt, eine Karawane sei in diesen Gebieten das gleiche wie ein Lastzug bei uns in Europa. Er nahm also wohl jede Fracht, die er bekommen konnte.
Schließlich meinte ich:
„Herr Oberst, soviel mir bekannt ist, hat Doktor Tju Medizin studiert, das sagte uns wenigstens Doktor Stapley, von dem wir den Namen zum ersten Male hörten."
„Stimmt, Herr Warren! Er hat in Deutschland promoviert, aber hier nie praktiziert. Nun, das mag es immerhin geben. Dabei braucht man nicht unbedingt etwas Auffälliges zu finden. Wahrscheinlich ist er von Haus aus kaufmännisch begabt und glaubte wohl, er könne mehr und schneller verdienen, wenn er eine Karawane reisen ließe, als wenn er eine ärztliche Praxis aufbaute."
„Wie kommt es denn, daß er, obwohl er doch sicher recht gut verdient, immer noch das Haus in der winkligen Gasse bewohnt?"
„Danach habe ich ihn schon gefragt. Ich glaubte zuerst, es sei ein Erbstück, er habe es von seinem Vater übernommen," entgegnete der Oberst. „Das ist aber nicht der Fall. Er müsse in dem Viertel wohnen, war seine Antwort, dort verdiene er besser, als wenn er sich in einer Villenstraße ansiedeln würde. In so vornehme Viertel kämen seine Kunden nicht."
Mehr konnten wir über Doktor Tju nicht erfahren und verabschiedeten uns bald von dem Polizeiobersten. Die Skizze der Gebirgsgegend hatte er vorher noch vervollständigt und uns mitgegeben.
Auf dem Wege zu unserem Hotel fragte ich Rolf, ob er nun mit der Karawane oder ohne sie reisen wolle.
„Ohne!" entgegnete mein Freund sehr bestimmt. „Wir werden der Form Genüge tun und Doktor Tju heute abend einen Boten senden, daß wir noch in der Stadt aufgehalten worden sind und unsere Abreise verschieben müßten. Das klingt glaubhaft. Wir wählen natürlich den gleichen Reiseweg und werden die Karawane dabei beobachten."
„Wir können also schon heute Nacht mit Pongo zusammen aufbrechen," stellte ich fest. Rolf nickte.
Als wir die Tür zu unserem Hotel passierten, stand ein Bettler am Eingang, der uns mit bittender Gebärde die Hand entgegenstreckte. Rolf griff in die Tasche und warf ihm eine Münze zu. Kaum standen wir im Vestibül, raunte Rolf mir zu:
„Hast du den Mann erkannt, Hans? Es war Doktor Tju persönlich. In einer großartigen Maske und Verkleidung allerdings. Aber diese Augen kannte ich sofort wieder!"
„Davon muß ich mich selbst noch überzeugen!" meinte ich und wollte zum Eingang zurück, aber Rolf hielt mich zurück.
„Bleib hier! Doktor Tju soll nicht merken, daß ich ihn erkannt habe. Er ist doch nur unseretwegen hierhergekommen und wird seinen Posten bald verlassen."
„Aber wir könnten Pongo auf seine Spur setzen, Rolf!"
„Gut! Hole ihn rasch herunter! Er soll herausbekommen, wohin er sich von hier aus begibt."
Ich eilte in unsere Zimmer hinauf und verständigte Pongo rasch, der sofort einen Blick durchs Fenster warf. Der Bettler war noch zu sehen, er humpelte langsam die Straße entlang. Pongo prägte sich Haltung und Statur ein, denn das Gesicht konnten wir nicht mehr sehen, da uns Doktor Tju den Rücken zukehrte.
Pongo ging. Wenige Minuten später betrat Rolf das Zimmer und berichtete mir, daß er einen Chinesenjungen gefunden hätte, den er mit der Nachricht zu Doktor Tju gesandt habe, daß wir an der Reise mit der Karawane nicht teilnehmen könnten, da wir gezwungen wären, uns noch kurze Zeit in Fu Tschou aufzuhalten.
Voller Spannung warteten wir auf Pongos Rückkehr.
Die Pferde übrigens, die uns durch das Gebirge tragen sollten, hatten wir bei dem Händler stehen lassen, bei dem wir sie erworben hatten; zufällig wohnte er fast am Ende der Stadt in der Richtung auf das Gebirge zu. Dort wollten wir sie am Abend abholen.
Zwei Stunden mußten wir auf Pongo warten. Als er zurückgekommen war, berichtete er uns in seiner knappen Art, daß Doktor Tju über die „Brücke der zehntausend Zeitalter" gegangen sei und in der Chinesenstadt ein altes Haus betreten habe, das neben einem vornehmen, von einem Drachen bewachten Hause liege.
Das war sein eigenes Hans, zweifellos. Beide Häuser wurden sicher in Verbindung miteinander stehen. Ob der Doktor des öfteren als Bettler verkleidet durch die Stadt schlich? Und wenn es der
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