Rolf Torring 124 - Die Ratten von Peking
„Gleich aber werden die Ratten erscheinen!"
Ich ahnte, was kommen würde. Es dauerte nicht lange, da tauchte die erste Ratte im Wasser auf, eine große, schwarze Wasserratte; eine zweite kam, eine dritte, immer mehr, bis das Wasser von den kleinen, so gefährlichen Tieren wimmelte.
Sie schienen sehr hungrig zu sein, denn obwohl das Wasser noch längst nicht bis zur Plattform unserer Sockel gestiegen war, versuchten sie schon, zu uns emporzuklettern. Mit den Füßen stießen wir die Ratten, sobald sie das Podest erreicht hatten, ins Wasser zurück. Pongo stieß gelegentlich so heftig zu, daß die Tiere bis an den Podestsockel, auf dem Kennt stand, hinüber flogen.
Würden wir uns des Ungeziefers erwehren können? Immer mehr Ratten kamen. Es nützte also gar nichts, einige von ihnen zu zertreten oder so heftig mit den Füßen fortzuschleudern, daß sie an dem Stoß zugrunde gehen würden.
Plötzlich wurde es dunkel. Die Chinesen hatten sicher die Öffnungen der Lichtschächte mit Brettern bedeckt. Im Dunkeln standen wir den Ratten gegenüber, die immer heftiger andrängten.
Nach einer Weile wurde es wieder hell. Die Ratten aber hatten die Gelegenheit genutzt und waren in Scharen zu uns auf die Podeste geklettert. Unsere Füße arbeiteten fieberhaft. Tatsächlich gelang es uns noch einmal, den Sockel freizubekommen.
„Damit wir nicht vorzeitig ermüden," sagte Rolf, „muß immer einer von uns allein arbeiten."
„Pongo zu Professor hinüber," schlug der schwarze Riese vor, „dann zwei hier, zwei dort."
„Kommst du durch das Wasser durch, trotz der Ratten?" fragte Rolf besorgt.
„Pongo schon machen" war die zuversichtliche Antwort unseres schwarzen Freundes.
Der Professor konnte sich schon jetzt kaum noch der vielen Ratten erwehren. Wahrscheinlich hatte Schang Ti angeordnet, daß er allein auf ein Podest kommen sollte, weil Kennt ihn am Schluss der Gerichtssitzung geärgert hatte.
Pongo maß mit den Augen die Entfernung bis zum gegenüberliegenden Podest, der etwa zehn Meter von dem unsern entfernt war, sprang ins Wasser und bemühte sich, möglichst schnell darin vorwärtszuwaten. Die Ratten aber waren schneller. Sie klammerten sich an seine Hosen an und versuchten, an ihm empor zu turnen. Pongo schüttelte, krümmte und streckte sich, um die Ratten abzuschütteln, was ihm auch gelang. Endlich hatte er den Sockel, auf dem der Professor stand, erreicht und schwang sich, indem er sich mit den zusammengebundenen Händen aufstützte, hinauf. Oben angekommen, begann er den Abwehrkampf gegen die Ratten von neuem.
„Wir müssen uns jetzt gegenseitig die Fesseln lösen," schlug Rolf vor. „Ich werde zunächst allein die Ratten ins Wasser hinabstoßen. Dreh dich um und beginne an meinen Fesseln. Es wird nicht einfach sein, aber es ist nötig, daß wir die Hände freibekommen."
Ich drehte mich um, daß ich Rücken an Rücken mit Rolf stand. Eine Ewigkeit verging, bis es mir schließlich gelang, die Schnüre um Rolfs Handgelenke zu lockern und ganz abzustreifen. Rolf konnte ja fast keinen Augenblick ruhig stehen, so daß ich immer wieder aufhören neu beginnen mußte.
Eine Stunde hatte ich gebraucht, bis ich Rolfs Hände entfesselt hatte. Ich atmete erleichtert auf, ruhte mich ein paar Minuten aus und begann nun die Beinarbeit gegen die Ratten.
Rolf hatte es jetzt einfacher, mich von den Fesseln zu befreien, denn er konnte jede Bewegung, die ich machen mußte, mitmachen. So war die Arbeit bald geschafft. Ich war selig, trotz der misslichen Lage, in der wir uns befanden, daß ich meine Hände endlich frei bewegen konnte.
Daß die Ratten sehr hungrig waren, bewies die Tatsache, daß die lebenden Tiere anfingen, die toten anzufressen.
Auch Pongo war es inzwischen gelungen, des Professors Handfesseln zu lösen.
Trotz unseres dauernden Vemichtungskampfes hatte ich nicht den Eindruck, daß die Zahl der Ratten kleiner wurde. Das Wasser vor uns wimmelte von ihnen.
In stetem Kampfe verging Stunde auf Stunde. Ob Margolo, der eingemauert war, sich auch gegen Ratten verteidigen mußte?
Einmal wurde uns das Licht für längere Zeit genommen. Dadurch kletterten die Ratten in großer Zahl auf die Podeste. Sie versuchten auch, an uns selbst hochzuklimmen. Ich erhielt dabei einen tüchtigen Biss in die linke Hand.
Ich sann darüber nach, wie wir uns befreien konnten und entdeckte einen
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