Rolf Torring 124 - Die Ratten von Peking
schmalen, an der Wand entlanglaufenden Sims, auf dem wir bis zur Tür gelangen konnten. Natürlich mußten wir uns hüten, ins Wasser abzurutschen, in dem wir gegen die Ratten ziemlich machtlos gewesen wären. Der Sims bildete den Abschluss des Bassins.
Ich machte Rolf auf meine Entdeckung aufmerksam.
„Auf dem Sims bis zur Tür zu gelangen, ist ein schwieriges Kunststück," meinte mein Freund. „Aber wir müssen es versuchen."
Wir versuchten es. Eng an die Wand geschmiegt, balancierten wir vorsichtig auf dem Sims der Tür entgegen. Sie war gar nicht weit entfernt, aber für uns war die Entfernung nur allzu groß. Die Ratten versuchten an der glatten Wand des Bassins in die Höhe zu klettern. Das misslang ihnen. Auf dem Sims waren wir vor ihren Angriffen sicher.
Endlich hatte Rolf es geschafft. Die Tür war natürlich nicht offen, aber durch eine kleine Ritze sah Rolf, daß sie nur von außen durch einen Riegel gesichert war, der sich mit einem kleinen Stock oder einem Messer leicht zurückschieben lassen mußte.
Kennt trug unter der linken Gamasche seines Stiefels versteckt noch ein Messer bei sich. Er warf es Rolf zu. In dem Augenblick aber, als er die Entfernung abschätzte, um das Messer richtig zu werfen, sprang ihn eine Ratte, die auf das Podest geklettert war, an. Das Messer erhielt eine nicht beabsichtigte Richtung und — fiel ins Wasser.
Jetzt war guter Rat teuer. Rolf blieb nichts anderes übrig, als auf dem Sims langsam zum Podest zurückzukehren. Da hatten sich inzwischen schon die Ratten breit gemacht. Auch ich trat die paar Schrittchen zurück, die ich auf dem Sims schon vorgedrungen war. Mit vereinten Kräften gelang es uns, die Ratten vom Podest herunter zustoßen.
„Herr Torring," rief Rolf in dem Augenblick, „Sie haben doch nicht nur das Gegengift, sondern auch das 'Rattengift' selbst, mit dem Margolo vergiftet wurde. Versuchen Sie es bei den Ratten!"
„Ein glänzender Einfall!" lobte Rolf, zog die Schachtel heraus und warf von den dreißig Tabletten, die er sein eigen nannte, zwanzig ins Wasser.
Erst geschah gar nichts. Die Ratten blieben so munter wie zuvor. Dann aber — wir wollten es zuerst nicht glauben — sank eine nach der anderen unter. Immer weniger zeigten sich an der Oberfläche. Nach einer Viertelstunde sahen wir keine Ratte mehr. Sie waren gesunken, das Gift hatte seine Wirkung getan.
Wir warteten noch etwas, dann wateten wir durch das Wasser, in dem wir das Messer zu unserem Glücke wiederfanden, auf die Tür zu. Rolf kletterte auf den Sims, steckte vorsichtig die Scheide des Messers durch die Ritze und konnte tatsächlich nach einigen vergeblichen Versuchen den Riegel zurückstoßen, so daß die Tür aufsprang.
Wir verließen den Keller und standen in einem schwach erleuchteten Gang. Rolf und Pongo, die vor mir standen, gingen nicht sofort weiter, sondern blieben lauschend stehen.
„Masser Torring, hier irgendwo Mensch eingesperrt, der mit Ratten kämpft, vielleicht Margolo," flüsterte der schwarze Riese.
Ich hörte jetzt ebenfalls die eigenartigen Geräusche. Pongo war ein Stück nach links gegangen und winkte uns zu sich. Am Ende des Ganges lag Handwerkszeug auf dem Boden. Wir entdeckten eine Stelle, die erst vor kurzem zugemauert war. Dahinter mußte sich Margolo befinden. Rolf hob eine Eisenstange vom Boden auf und begann, den Mörtel zwischen den Steinen wegzukratzen. Das ging sehr leicht, und schon nach kurzer Zeit konnten wir den ersten Stein aus dem frischen Mauerwerk herausnehmen.
Durch die entstandene Öffnung fragte Rolf in den darunterliegenden Raum: "Sind Sie es, Margolo?"
„Sie kommen in höchster Not, Herr Torring," antwortete die Stimme Margolos von innen. „Ich kann mich des Ungeziefers kaum noch erwehren."
Pongo erweiterte schon die Maueröffnung.
„Sind Sie gefesselt?" fragte Rolf weiter.
»Nein," antwortete der junge Fürst.
Es dauerte nicht lange, bis die Öffnung so groß war, daß sich Margolo zu uns auf den Gang hindurchzwängen konnte.
Margolo blutete aus verschiedenen kleinen Wunden; mehrere Ratten hatten ihn schon gebissen. Er dankte uns durch kräftigen Händedruck. Dann gingen wir daran, einen Ausgang zu suchen. Rolf hatte von dem Haufen Handwerkszeug einen Spitzhammer mitgenommen.
Endlich standen wir vor einer Tür, die wir leicht öffnen konnten. Dahinter begann eine steile Wendeltreppe, die wir
Weitere Kostenlose Bücher