Rolf Torring 127 - Gebrüder Sander
ein Schatten an uns vorbei. Ein paar Minuten später folgte ein zweiter. Da wußten wir, daß in der Nähe Adler horsten mußten.
Wir hatten die Pistolen gezogen und entsichert, um jedem Angriff begegnen zu können.
Etwas später kam ein leichter Wind auf.
Nach einer reichlichen Viertelstunde hatten wir klare Sicht und sahen vor uns den tiefen Abgrund, der volle Schwindelfreiheit von uns verlangte.
Ich musterte die senkrecht aufsteigende Wand Nein, an ein Emporklettern hier war nicht zu denken, für blieb uns nur übrig zu warten, bis Perkins' Leute uns hier entdeckten. Vor den Brüdern Sander brauchten wir kaum Angst zu haben, denn der Felsen hing so weit über, daß sie uns auf keinen Fall sehen konnten.
Wieder kam ein Steinadler vorbei, ein mächtiges Tier, das ich noch nie in so großer Nähe gesehen hatte. Seine Flügelspanne mochte dreiundeinhalb Meter betragen. Der starke Schnabel konnte sicher tiefe Wunden schlagen. Aber dieser Raubvogel flog vorbei. Kaum war er an uns vorüber, wendete er jedoch und kam zurück. Mit ausgebreiteten Schwingen segelte er noch wiederholt vorbei, dann flog er endgültig davon.
Ein zweiter Adler kam, ein dritter. Sie flogen bedrohlich nahe an uns heran. Ich konnte ihre Augen, die mir einen starren Eindruck machten, deutlich erkennen. Colonel Perkins feuerte ein paar Schuß ab, ohne auf die majestätischen Vögel zu zielen. Er wollte sie nur verscheuchen. Das gelang ihm auch.
Kurze Zeit hatten wir Ruhe. Ich meinte, daß die Brüder Sander die Schüsse gehört haben müßten und zurückkommen würden. Rolf war anderer Meinung. Seiner Ansicht nach würde im Gebirge hier viel geschossen. Den Brüdern Sander kam es in erster Linie auf unsere Ausweise an. An unserem Leben lag ihnen nicht, ihnen mochte es gleichgültig sein, ob wir lebten oder nicht. Sie waren nicht blutgierig, sie wollten nur in möglichst großer Ruhe ihre "Geschäfte" machen können.
Wieder rauschte es über uns. Die gefiederten Raubgesellen kamen in einer ganzen Gesellschaft an, ich zählte acht, neun Vögel sogar. Wir verscheuchten sie auch diesmal durch Pistolenschüsse.
Als die Adler abgeflogen waren, blieb es lange ruhig. Ich fragte einmal, ob Perkins nicht seine Leute rufen könnte. Rolf aber meinte, sie würden uns nicht hören.
Endlich meldete sich eine Stimme über uns. Fred Sander rief, ohne daß er uns sehen konnte, zu uns hinab:
„Grüß Gott, Herr Torring! Ich dachte schon, Sie lägen mit Ihren Freunden zerschmettert unten im Abgrund. Warum haben Sie sich denn nicht gleich gemeldet, als Sie uns das erste Mal hier oben sprechen hörten. Sie hätten Tom und mir den nicht gerade leichten Abstieg und das erneute Emporklettern erspart. Das hätten wir Ihnen hoch angerechnet. Wo stecken Sie denn überhaupt? Wir können Sie von hier oben aus nicht sehen."
Rolf machte uns Zeichen, nicht zu antworten.
»Warum antworten Sie denn nicht?" begann Fred Sander von neuem. »Sind Sie etwa verwundet? Aber dann hätten Sie wohl nicht so schön schießen können. Dann würden sich die Adler bereits über Sie hergemacht haben. Sie haben sicher nicht viel Platz zum Stehen. Darf ich Ihnen ein Seil hinunterwerfen? Soll ich Sie allesamt heraufziehen?"
Wieder bekam Fred Sander keine Antwort von uns. Eine Weile blieb es oben still. Dann erklang es von neuem:
»Sie sprechen nicht mit jedem! Wie die Conferenciers auf den Kabarettbühnen zu witzeln pflegen. Auch gut! Wir haben es nicht nötig, Ihnen unsere Gefälligkeiten aufzuzwingen. Wer sich nicht helfen lassen will, soll sich selber helfen! Wie man sich bettet, so schläft man"
»Vielleicht sind sie doch abgestürzt, Fred," ließ Tom sich vernehmen. „Wir haben sie vielleicht nur nicht gefunden. Die Schießerei kann ganz woanders gewesen sein. In den Bergen täuscht der Schall oft."
»Ob wir uns mal hinunterlassen, um nachzuschauen, Tom?"
»Das würde ich nicht tun. Die Herren sind vielleicht stur und antworten aus Bosheit nicht."
»Wir könnten ein paar Felsblöcke hinunterstürzen. Dann melden sie sich vielleicht, wenn sie an die Felswand angeschmiegt irgendwo unter uns stehen."
»Ich warne Sie, meine Herren! Antworten Sie, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist!"
Rolf flüsterte uns zu:
„Wenn sie mit Felsblöcken werfen, die sicher in uns vorbei in die Tiefe stürzen, schreien wir auf, als ob wir getroffen wären. Vielleicht lassen
Weitere Kostenlose Bücher