Rolf Torring 129 - Unter Indianern
einzutreffen. Im Dunkeln können wir doch nichts unternehmen! Wenn wir auf unserem weiteren Weg eine passende Höhle finden sollten, satteln wir ab, auch wenn es noch nicht Abend sein sollte."
Wir stimmten Rolfs Ansicht bei, beeilten uns nicht mehr so wie eben noch, sondern ritten langsam weiter. Dabei ließen wir die Höhle nicht aus den Augen: besonders Pongo war wieder sehr wachsam.
Nach einer Weile kamen wir an eine zweite Schlucht, durch die ein Gebirgsbach seinen Weg nahm. Um die Schlucht passieren zu können, mußten wir etwa hundert Meter durch das Bett des Baches reiten, das mit kleinen und großen Steinen, mit Geröll und ganz ansehnlichen Felsblöcken bedeckt war. Eine wildromantische Gegend!
Nur schrittweise kamen wir vorwärts. Unser Gegner auf der Höhe kann noch nicht hier sein, überlegte ich. Während wir auf ziemlich ebener Straße weiter geritten waren, hatte er Höhen hinab- und wieder hinaufklettern müssen, wenn er uns auf dem Felsgrat folgen wollte. Deshalb achtete ich jetzt mehr auf das Geröll im teilweise ausgetrockneten Bachbett als auf die Höhe, von der ich keinen Angriff vermutete.
Weiter und weiter drangen wir vor. Die Gegend begann unheimlich zu werden. Tiefe Stille umgab uns, nur der Hufschlag unserer Tiere auf dem steinigen Boden war zu hören. Lebewesen außer uns schien es hier kaum zu geben. Wenn doch irgendwo einmal ein kleines Tier auftauchte, verschwand es schnell in Felsritzen.
Gegen Abend machten wir halt. Eine Höhle hatten wir nicht gefunden; wir suchten deshalb eine vorspringende Felsplatte, unter der wir Schutz fanden. Wieder waren wir in einem Tal, durch das sich der Bach schlängelte, den wir schon in der Schlucht angetroffen hatten. Der Boden war stellenweise mit Gras bedeckt, so daß unsere Pferde zu fressen hatten. Dicht am Bachufer wuchsen vereinzelt sogar Sträucher, die allerdings einen kümmerlichen Eindruck machten.
Da wir durch die überstehende Felswand gegen Sicht von oben gedeckt waren, brauchten wir unsere Aufmerksamkeit nur dem Tale zuzuwenden, das in der Nacht vom Mondschein überflutet sein würde. Unser Abendbrot hatten wir rasch eingenommen. Ein Feuer konnten und wollten wir nicht entfachen. So legten wir uns bald schlafen; die Reihenfolge der Nachtwachen sollte die gleiche sein wie in der Nacht zuvor.
Ich mochte etwa eine Stunde geschlafen haben, als Pongo mich leise weckte. Rolf war schon munter und hatte die Büchse schußbereit auf den Knien liegen.
Der Mond war aufgegangen und beleuchtete hell das vor uns liegende Tal. Rolf deutete zum Ufer des Baches, der in einiger Entfernung vor unserem Lagerplatz vorbeifloss. Ich traute meinen Augen kaum, als ich dort zwei Tiere erkannte, die ich hier nicht vermutet hatte: es waren Jaguare. Ich wußte, daß die Tiere eigentlich nur in Südamerika vorkommen, in seltenen Fällen aber auch in den Südstaaten der USA anzutreffen sind. Daß sie hier in der wüsten Steinöde lebten, schien mir allerdings unbegreiflich, denn Jaguare bevorzugen die dichten, feuchten Wälder.
Der Jaguar gehört zu den Pantherkatzen und steht an Größe nur wenig hinter dem Tiger zurück. Sein Körperbau ist ein wenig plumper als der des Leoparden, verrät aber Kraft und Gewandtheit. Der Rumpf ist kürzer als der des Tigers, die Beine sind im Verhältnis zum Rumpfe niedriger als bei den anderen Raubkatzen. Der Name Jaguar soll der Sprache der Guaraner entnommen sein, die das Tier „Jaguarette", das bedeutet „Körper des Hundes", nennen. Sein gelbgeflecktes Fell ist früher im Handel sehr beliebt gewesen; jährlich wurden fast zweitausend Felle nach Europa versandt.
Wie kamen die Tiere in das felsige Tal? Ich blickte einen Moment auf Rolf, der kein Auge von den Tieren wandte. Sie mußten uns schon gewittert haben. Unsere Pferde, die an langer Leine angepflockt waren, wurden allmählich immer unruhiger. Die Jaguare aber machten keine Anstalten, sich an uns heranzuschleichen, sie hielten sich vielmehr immer in der Nähe des Baches auf.
Plötzlich ertönte ein eigentümlicher Pfiff. Sofort schauten die Jaguare auf und sprangen am Bach entlang in der Richtung, aus der der Pfiff gekommen war.
„Sie sind gezähmt!" sagte Rolf leise zu mir. „Wahrscheinlich gehören sie einem alten Indianer, der sie ganz jung gefangen und für die Jagd abgerichtet hat. Sonst wären sie wohl auch nicht hier im Gebirge."
„Gibt es denn unter den Indianern Einsiedler?"
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