Rolf Torring 132 - Rolfs Meisterschuß
anderen Neger ergriffen die Flucht, der dritte folgte ihnen.
Der Neger, der die primitive Waffe gegen mich erhoben hatte, verlor beim Ausholen und Schwingen des Armes aus seinem Hüftgurt einen Zettel, ich hatte es gleich bemerkt. Wir hoben ihn auf und waren sehr erstaunt, daß es der gleiche Zettel war, den wir in der Rinde des Baumes entdeckt hatten.
Leider steckte ich den Zettel nicht zu mir, sondern warf ihn weg und machte, daß ich mit meinem Obermaat zu unserem Boote zurückkam. Wir fuhren schleunigst flussabwärts.
Einige male noch sah ich Neger am Ufer auftauchen, aber sie benahmen sich uns gegenüber nicht feindselig, obwohl sie uns deutlich erkannten. Ich war froh, als ich wieder auf dem Artibonite war, wo ich mich ganz sicher fühlte.
Und nun können Sie sich vielleicht mein Erstaunen vorstellen, als ich eines Tages bei Bolago den Neger wiedersah, der damals den Zettel in die Rinde des Baumes gesteckt hatte. Der Neger gehörte zur Dienerschaft des Mulatten.
Ich erzählte das Erlebnis Bolago, der mich eigentümlich ansah, jedoch mit aller Bestimmtheit bestritt, daß es sein Diener gewesen sein könnte, der den Zettel dort befestigte. Er sei nie längere Zeit außer Haus gewesen, könne es also schon deshalb nicht gewesen sein. Ich müßte mich geirrt haben. Ich aber kann beschwören, daß der Neger, der den Zettel festmachte, der gleiche war, den ich in Bolagos Hause wiedergesehen hatte. Ein sicheres Zeichen, daß ich mich nicht täuschte, war zum Beispiel, daß der Neger an dem Baum an der rechten Hand nur vier Finger hatte wie — Bolagos Diener.
Jetzt, nachdem ich den Brief gelesen habe, ist mir manches klar geworden, ich weiß nur nicht, aus welchem Grunde ich getötet werden sollte."
Rolf dachte eine Weile nach, stellte einige Fragen und meinte dann: ,
„Ich hätte nicht übel Lust, ins Innere Haitis vorzudringen. Vielleicht gelingt es uns, Bolagos Geheimnis zu entdecken. Mir gibt noch etwas zu denken: wie hat Bolago es fertiggebracht, in kurzer Zeit so reich zu werden? Einem normalen Sterblichen ist das doch meist unmöglich, wenn er nicht in der Lotterie gewinnt. Ich werde ihn besuchen und ihm nebenbei erzählen, daß wir ein brennendes Motorboot gesehen haben, dessen Führer anscheinend ertrunken ist"
„Du kannst dich nicht ohne einen zwingenden Grund bei ihm melden lassen, Rolf. Das würde sofort seinen Argwohn erregen."
„Richtig ! Dann werde ich die Nachricht von dem brennenden Motorboot im Hafen verbreiten. Sie können an Bord unserer Jacht bleiben, Herr Kapitän, und sich einstweilen versteckt halten. Wenn Sie meinen, daß Sie sich auf Obermaat Thomas verlassen können, werde ich ihn heimlich hierher rufen lassen. Da können Sie mit ihm sprechen! Er ist doch noch auf Ihrem Schiff?"
„Leider nein! Auch so eine eigenartige Sache! Er wollte durchaus noch einmal in die Gegend auf Haiti zurück, wo wir das Erlebnis mit dem Neger hatten. Und da ich ihm dazu keinen Urlaub gab, ging er heimlich fort"
„Ist er zurückgekehrt?" fragte Rolf sofort
"Ich habe ihn nicht wiedergesehen."
„ Wann ist er aufgebrochen?"
"Vor genau zwei Monaten."
„Glauben Sie wirklich, daß er den Versuch gemacht hat, die Neger mit den Speeren und Keulen noch einmal zu besuchen?"
„Ich nehme es bestimmt an. Ich wollte schon selbst nach ihm forschen und fragte Bolago um Rat, aber er lachte mich aus und meinte, der Mann hätte sicher nur einen Grund gesucht, von mir fortzugehen, um anderswo eine Heuer anzunehmen. Daran glaube ich aber nicht, denn seine Papiere und sein Seesack befinden sich noch an Bord der "L'Oiseau"."
„Haben Sie sonst einen zuverlässigen Menschen an Bord, dem Sie sich anvertrauen können, Herr Kapitän?"
„Lassen Sie meinen Steuermann Traveller rufen! Das ist ein Mensch, auf den man Häuser bauen kann. Ich werde ihm das Kommando über meinen Segler übertragen, solange ich mich hier versteckt halten muß. Das werde ich ihm schriftlich geben. Dann kann er, wenn ich das Papier zurückdatiere, behaupten, daß er die Bescheinigung von mir schon lange besitzt."
„Ein guter Gedanke, Herr Kapitän! Kann man den Artibonite eigentlich mit unserer Jacht hinauffahren?"
„Eine weite Strecke bestimmt, meine Herren! Dann allerdings kommen Sandbänke. Von dort aus nimmt man besser ein Kanu. Darf ich Sie dorthin begleiten?"
„Ich rechne sogar damit, Herr Kapitän! Sie müssen
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