Rolf Torring 132 - Rolfs Meisterschuß
wurden mir auch die Schnüre durchschnitten, die meine Handgelenke zusammenbanden. Immer toller wurde des „Zauberers" Tanz. Ich mußte unwillkürlich die Gliederverrenkungen bewundern, die er vollführte, angefeuert von den fanatischen Rufen der Neger und unterstützt von den Trommeln, die ihr Hämmern wieder aufgenommen hatten. Manchmal lag der „Zauberer" bei seinem Tanz mit dem Oberkörper fast an der Erde, richtete sich aber jedesmal schnell zu voller Größe wieder auf und machte anschließend ein paar Luftsprünge wie der beste Hochspringer auf Wettkämpfen in einem modernen Stadion.
Als der „Zauberer" wieder einmal um meinen Pfahl herumtanzte und sich so tief bückte, fühlte ich, wie mir dabei die Fußfesseln durchschnitten wurden. Was sollte das bedeuten? Wollte er mit mir sein frevles Spiel treiben? Ich blieb ganz ruhig stehen und wartete ab, was noch kommen würde. Ich war jetzt frei und hätte fliehen können. Aber das war sicher nur ein Trick des »Zauberers", um mich hineinzulegen, denn weit wäre ich ja nicht gekommen, wenn ich wirklich einen Fluchtversuch gemacht hätte.
Beim nächsten Rundtanz des „Zauberers" um meinen Pfahl hörte ich deutlich die geflüsterten Worte:
„Masser, ich sein Pongo"
Beinahe hätte ich mich verraten, als ich das hörte, zum Glück aber konnte ich meine Freude geschickt verbergen. Hoffentlich würde es Kapitän Holbre auch fertigbringen!
Pongo gelang es, uns alle drei von den Fesseln zu befreien. Er steigerte seinen Tanz geschickt bis zur Ekstase, so daß die Neger um uns herum allmählich dazu übergingen, ihm aufmunternde und anfeuernde Worte zuzurufen und selbst in eine Art Ekstase gerieten.
Holbre und Thomas dagegen bewahrten, als sie befreit waren, wie ich die Ruhe und blieben an ihren Pfählen stehen.
Pongo tanzte und tanzte. Was mochte er noch vorhaben? Sicher war er wie am Abend vorher heimlich von der Rückseite des Lagers eingedrungen, hatte in einer Hütte Bolagos Diener Samuel überwältigt und sich dessen phantastisches Zaubererkostüm übergestreift. Anders konnte es gar nicht sein!
Als Pongo wieder einmal um mich herumtanzte, drückte er mir einen Gegenstand in die Hand: meine Pistole! Woher hatte er sie? War es meine eigene, die er vielleicht in Samuels Hütte gefunden hatte? Ich konnte mich nicht davon überzeugen, ob es meine Waffe war, denn das wäre unweigerlich aufgefallen.
Jetzt war ich den Negern mit ihren primitiven Waffen weit überlegen, und Bolago hatte, wie ich sah, seinen Waffengurt nicht umgeschnallt. "
Endlich hatte Pongo seinen Tanz beendet. Er schwang das Messer, sah Bolago an, deutete auf uns und — schüttelte den Kopf. Wollte er dem Häuptling und dem Mulatten zu verstehen geben, daß wir nicht die der Gottheit wohlgefälligen Opfer seien?
Plötzlich warf Pongo — ich glaubte nicht recht zu sehen — die Verkleidung ab und stand in seiner normalen Kleidung, in langer Hose und heller Jacke, vor den erschrockenen Negern. Brüllend klang sein Gorillaruf auf, der die Neger noch mehr in Angst versetzte.
Holbre, Thomas und ich hatten fast gleichzeitig die Arme hochgerissen. In unseren Händen hielten wir die Pistolen. Ich erkannte meine eigene deutlich wieder, meine Ersatzpistole hatte Thomas, denn ihm wie Holbre hatte Pongo im Verlaufe des Tanzes auch die Waffen in die Hände gespielt.
Wir ließen die Neger durch Pongo auffordern, sich an einer Seite des Lagers aufzustellen, wo wir sie leicht überwachen konnten. Daß Bolago uns wütende Blicke zuwarf, brauche ich wohl kaum zu erwähnen.
Jeden Augenblick erwartete ich, daß Rolf erscheinen würde, der sicher die Vorgänge beobachtet hatte. An Samuel hatte ich nicht gedacht: er mußte sich von den Fesseln befreit haben und stand plötzlich mit erhobenem Messer vor mir.
Ich konnte meine Pistole nicht rasch genug hochreißen, um mich gegen Samuel, der schon mit dem Messer ausholte, zu verteidigen. Da krachte vom Eingang der Negersiedlung her ein Schuß — und in weitem Bogen flog Samuels Messer über den Platz. Das Messer mußte eine Gottheit gelenkt haben, denn — es flog auf den Mulatten zu und bohrte sich in dessen rechten Oberarm, daß er schmerzhaft aufschrie.
Rolf hatte einen Meisterschuss getan.
Durch die plötzliche dramatische Wendung hatten wir die Neger jetzt völlig in unserer Gewalt. Auch Samuel verhielt sich still.
Ohne Schwierigkeiten zu machen,
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