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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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die in einem Blumenbeet steckten, wobei Zifferblätter und Zeiger aus Setzlingen bestanden. 8
    Die Blumenuhr von Quirm hingegen ist wirklich eine Blumenuhr. Sie besteht aus vierundzwanzig verschiedenen Arten von Blumen, die zu ganz bestimmten Zeiten ihre Blütenkelche öffnen oder schließen…
    Als Susanne vorbeilief, öffnete sich gerade die Purpurne Winde, und die Liebe-im-Faden rollte ihre Blätter ein. Das bedeutete: Es war ungefähr halb elf Uhr abends.
    Leere Straßen erstreckten sich vor dem Mädchen. Die Stadt Quirm zeichnete sich nicht gerade durch ein sehr intensives Nachtleben aus. Wer nach Quirm kam und sich vergnügen wollte, mußte einen anderen Ort aufsuchen. In Quirm herrschten so hohe moralische Maßstäbe, daß selbst die Hunde um Erlaubnis fragten, bevor sie zur Toilette gingen.
    Nun, die Straßen waren fast leer. Susanne glaubte zu hören, daß ihr jemand folgte. Sie vernahm leises Trippeln, und manchmal, wenn sie einen verstohlenen Blick über die Schulter warf, sah sie einen Schemen, der so schnell übers Kopfsteinpflaster huschte, daß es ein Schemen blieb.
    Susanne wurde langsamer, als sie die Dreirosenstraße erreichte.
    Irgendwo bei den Drei Rosen, in der Nähe des Fischladens. So lautete Glorias Auskunft. Bei den Schülerinnen wurde zwar der forschende Geist gefördert, aber nicht in Hinsicht auf Zauberer. Für die gab es keinen Platz in Frau Anstands Welt.
    In der Dunkelheit wirkte die Straße seltsam fremd. Am einen Ende brannte eine Fackel in einer Wandhalterung – sie machte die Schatten noch finsterer.
    Einige Meter entfernt lehnte eine Leiter am Haus, und eine junge Frau bereitete sich darauf vor, die Sprossen zu erklimmen. Sie wirkte irgendwie vertraut.
    Als Susanne näher kam, drehte sich die Frau um und lächelte.
    »Hallo«, sagte sie. »Kannst du mir einen Dollar wechseln?«
    »Wie bitte?«
    »Zwei Fünfzig-Cent-Münzen genügen. Ein halber Dollar – das ist jetzt die Quote. Ich gäbe mich auch mit anderen Münzen zufrieden.«
    »Äh. Tut mir leid. Nein. Ich bekomme nur fünfzig Cent Taschengeld die Woche.«
    »Mist. Trotzdem danke.«
    Soweit Susanne erkennen konnte, schien sie nicht die Art von Frau zu sein, die in dunklen Straßen ihren Lebensunterhalt verdient. Mit ihrer vollschlanken Gutmütigkeit wirkte sie eher wie eine Krankenschwester in den Diensten jener Ärzte, deren Patienten ein wenig verwirrt sind und sich zum Beispiel für eine Tagesdecke halten.
    Die Frau schien ihr immer vertrauter.
    Sie holte eine Zange hervor, kletterte die Treppe hoch und verschwand durch ein offenes Fenster.
    Susanne zögerte. Die Unbekannte verhielt sich, als wäre es ganz normal, nachts in irgendwelche Häuser einzudringen. Nach den beschränkten Erfahrungen der Schülerin waren solche Leute Schurken, die von mutigen Mädchen auf der Stelle festgenommen werden sollten. Sie spielte mit dem Gedanken, die Wache zu verständigen, wurde jedoch abgelenkt, als sich etwas entfernt eine Tür öffnete.
    Zwei Männer traten Arm in Arm aufs Pflaster und torkelten im Zickzack durch die Nacht. Susanne wich zurück. Niemand belästigte sie, wenn sie nicht gesehen werden wollte. Die beiden Männer gingen durch die Leiter.
    Entweder hatten sie keine Substanz, oder mit der Leiter stimmte etwas nicht. Andererseits war die Frau auf ihr hochgeklettert…
    … und kam nun wieder herunter. Dabei steckte sie sich was in die Tasche.
    »Das Engelchen ist nicht einmal aufgewacht«, sagte sie.
    »Wie bitte?« erwiderte Susanne.
    »Ich hatte keine fünfzig Cent«, erklärte die Frau und schwang sich die Leiter mühelos auf die Schulter. »Deshalb mußte ich mich an die Regeln halten und einen weiteren Zahn nehmen.«
    »Was?«
    »Es ist alles festgelegt. Ich käme in ernste Schwierigkeiten, wenn Geld und Zähne nicht übereinstimmten. Du weißt ja, wie das ist.«
    »Weiß ich das?«
    »Entschuldige, es wird Zeit für mich. Ich muß in dieser Nacht noch sechzig Besuche machen.«
    » Warum sollte ich was wissen?« fragte Susanne. »Und wen mußt du besuchen?«
    »Kinder, natürlich. Ich darf sie nicht enttäuschen. Stell dir nur ihre Gesichter vor, wenn sie unter dem Kissen nachsehen…«
    Leiter. Zange. Zähne. Geld. Kissen…
    »Du erwartest doch wohl nicht von mir, daß ich dich für die Zahnfee halte, oder?« fragte Susanne argwöhnisch.
    Sie berührte die Leiter. Fühlte sich ganz normal an.
    »Nicht die «, entgegnete die Fremde. »Eine. Es überrascht mich, daß du das nicht weißt.«
    Sie schlenderte um die

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