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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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langsam über ein Schlachtfeld. Hier fand nicht etwa ein richtiger Krieg statt, nur ein stammesinterner Zank. Es gab auch keine verfeindeten Streitkräfte. Die Kämpfer bildeten zwei Gruppen aus Individuen, von denen einige auf Pferden saßen. Sie standen nicht nur alle auf derselben Seite, sondern trugen auch die gleiche Kleidung aus Pelzen und aufregenden Lederwaren. Susanne fragte sich, wie man hier den Freund vom Feind unterschied. Die Auseinandersetzung bestand zum größten Teil aus lautem Geschrei und ziellosem Schwingen von Schwertern und Streitäxten. Wenn man jemanden traf, wurde dieser sofort zu einem Feind; es brauchte sich also niemand über einen Mangel an Gegnern zu beklagen. Eigentlich lief alles darauf hinaus, daß Menschen starben und unglaublich dumme Heldentaten begangen wurden.
    QUIEK.
    Der Rattentod deutete nach unten.
    »Hü… nach unten.«
    Binky landete auf einem kleinen Hügel.
    »Äh… na schön.« Susanne holte die Sense hervor und machte sich bereit.
    Es war nicht schwierig, die Seelen der Toten zu erkennen. Arm in Arm verließen sie das Schlachtfeld, Freund und Feind; lachend näherten sie sich.
    Susanne stieg ab und konzentrierte sich.
    »Äh«, sagte sie. »IST HIER JEMAND GETÖTET WORDEN, DER WOLF HEISST?«
    Hinter ihr hob der Rattentod eine Pfote vor die Stirn und schüttelte den Kopf.
    »Äh… HALLO?«
    Niemand achtete auf sie. Die Krieger marschierten einfach vorbei. Sie formten eine lange Reihe am Rand des Schlachtfelds und schienen auf etwas zu warten.
    Susanne mußte sich nicht… um alle kümmern. Albert hatte versucht, es ihr zu erklären, und außerdem regten sich Erinnerungen in ihr. Nur einige erforderten ihre Dienste, Personen, die aufgrund historischer Umstände oder einer Laune des Schicksals besondere Bedeutung gewonnen hatten. Wenn sie bei diesen Individuen ihre… Pflicht erfüllte, erledigte es sich bei den anderen von ganz allein. Sie mußte in erster Linie das Bewegungsmoment ausnutzen.
    »Du mußt bestimmter auftreten«, sagte der Rabe. Er hockte nun auf einem Felsen. »Das ist das Problem mit Frauen in gehobenen Berufen. Sind nicht energisch genug.«
    »Warum bist du hierhergekommen?« fragte Susanne.
    »Dies ist ein Schlachtfeld, nicht wahr?« entgegnete der Rabe geduldig. »Nachher kommen immer Raben.« Seine Augen rollten unabhängig voneinander. »Wir sorgen dafür, daß kein Aas zurückbleibt.«
    »Soll das etwa heißen… ihr freßt die Gefallenen?«
    »Gehört zu den Wundern der Natur«, erwiderte der Rabe.
    »Wie schrecklich«, sagte Susanne. Am Himmel kreisten bereits schwarze Vögel.
    »Wir oder die Würmer«, meinte der Rabe. »So sieht’s aus.«
    Eine Seite – wenn man davon sprechen konnte – floh vom Schlachtfeld. Die andere folgte ihr.
    Die Vögel sanken auf etwas herab, das für sie ein Festschmaus war.
    »Du solltest besser nach dem jungen Burschen suchen«, sagte der Rabe. »Sonst verpaßt er seinen Ritt.«
    »Welchen Ritt?« fragte Susanne.
    Wieder rollten die Augen.
    »Weißt du denn nichts über Mythologie?«
    »Nein. Frau Anstand vertritt die Ansicht, daß es nur erfundene Geschichten ohne literarischen Gehalt sind.«
    »Ah. Meine Güte. Und so was können wir natürlich nicht dulden. Na ja. Du wirst bald sehen. Ich muß mich jetzt sputen.« Der Rabe sprang in die Luft. »Meistens versuche ich, einen guten Platz am Kopf zu bekommen.«
    »Was werde ich bald se…«
    Und dann begann jemand zu singen. Wie plötzlicher Wind wehte die Stimme vom Himmel herab – ein recht guter Mezzosopran.
    »Hai-joh-to! Ho! Hai-joh-to! Ho!«
    Kurze Zeit später stellte Susanne fest, von wem die Stimme kam. Auf einem Pferd, das fast so prächtig wirkte wie Binky, saß eine Frau. Zweifellos eine Frau. Sogar ziemlich viel Frau. Sie war so viel Frau, wie man sein konnte, ohne zwei Frauen zu werden. Sie trug ein Kettenhemd, einen an zwei strategischen Stellen weit vorgewölbten Brustharnisch und einen Helm mit Hörnern.
    Die versammelten Toten jubelten, als das Roß zur Landung ansetzte. Sechs weitere singende Reiterinnen kamen vom Himmel herab.
    »Ist es nicht immer das gleiche?« fragte der Rabe, bevor er fortflog. »Man wartet stundenlang, ohne eine zu sehen, und dann zeigen sich gleich sieben.«
    Susanne beobachtete erstaunt, wie die Reiterin einen Krieger aufsteigen ließ und mit ihm zum Firmament ritt. In einer Höhe von mehreren hundert Metern verschwand sie abrupt, um dann ebenso plötzlich wieder zu erscheinen und einen neuen Passagier abzuholen. Eine

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