Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
das Spiel eine Zeitlang und fand den Anblick äußerst
    deprimierend. Früher oder später kamen die Angreifer unten an und

    errangen dadurch den Sieg. Warum sich die Mühe machen und auf sie
    schießen, wenn sie ohnehin gewannen?
    Warum…?
    Er hob sein Glas und wandte sich den anderen Trinkern zu.
    WISST IHR. WISST IHR… ÄH… WISST IHR, WIE ES IST,
    WENN MAN EIN, JA GENAU, EIN SO GUTES GEDÄCHTNIS
    HAT, DASS MAN SICH SOGAR AN DINGE ERINNERT, DIE
    ERST NOCH GESCHEHEN MÜSSEN? SO GEHT’S MIR.
    JAWOHL. MIR. ALS… ALS. ALS WENN ES GAR KEINE
    ZUKUNFT GÄBE, NUR… EINE VERGANGENHEIT, DIE
    NOCH DARAUF WARTET, GESCHICHTE ZU WERDEN. UND…
    UND… UND MAN MUSS TROTZDEM GEWISSE DINGE
    ERLEDIGEN. MAN WEISS, WAS PASSIERT, UND MAN MUSS
    DENNOCH DER PFLICHT GENÜGEN.
    Tods Blick glitt über die Mienen der Zuhörer. Die Gäste der Geflickten
    Trommel kannten alkoholische Ansprachen, doch dieser Vortrag war ein-malig.
    MAN SIEHT… MAN SIEHT… MAN SIEHT ZEUGS WIE
    EINEN EISBERG AUFRAGEN, ABER MAN KANN NICHTS
    DARAN ÄNDERN, WEIL… WEIL BEREITS ALLES
    ENTSCHIEDEN IST. ES IST GESETZ. UND GEGEN DAS
    GESETZ DARF MAN NICHT VERSTOSSEN. GESETZ IS’
    GESETZ.
    SEHT IHR DAS GLAS HIER? SEHT IHR’S? ES IS’ WIE DAS
    GEDÄCHTNIS. WENN MAN NOCH MEHR HINEINSCHÜTTET
    INS VOLLE GLAS, FLIESST WAS ÜBERN RAND, KLAR? SO
    FUNKSCHIONIERT DAS. ALLE HABEN EIN SOLCHES
    GEDÄCHTNIS. NUR DADURCH SCHNAPPEN MENSCHEN
    NICH’ SCHON NACH KURZER ZEIT ÜBER. ABER BEI… ABER
    BEI… ABER BEI MIR SCHIEHT DIE SACHE ANDERS AUS. ICH
    ERINNERE MICH AN ALLES. ALS SEI ES ERST MORGEN
    GESCHEHEN. AN ALLES ERINNERE ICH MICH.
    Er starrte auf sein Glas.

    AH, sagte er. JETZT WEISS ICH WIEDER, WIE DAS MIT DEM
    BETRUNKENSEIN IST.
    Nie zuvor war in der Trommel jemand auf eindrucksvollere Weise um-
    kippt. Der große dunkle Fremde fiel langsam nach hinten wie ein Baum.
    Ihm wurden nicht etwa die Knie weich. Er pral te auch nicht auf einen
    Tisch, um von dort aus zu Boden zu rutschen. Er beschrieb einfach nur
    einen Bogen, der seine Position von der Vertikalen zur Horizontalen
    veränderte.
    Mehrere Personen applaudierten, als er auf den Dielen aufschlug.
    Dann durchsuchten sie seine Taschen. Besser gesagt, sie wollten sie
    durchsuchen, fanden jedoch keine. Anschließend warfen sie Tod in den
    Fluß.*

    Im riesigen schwarzen Arbeitszimmer Tods brannte eine Kerze, ohne
    kürzer zu werden.
    Susanne blätterte nervös in den Büchern.
    Das Leben war nicht einfach – so viel wußte sie. Das gehörte zum Wis-
    sen, welches nun in ihr wohnte, weil sie die Pflicht erfül te. Es gab das schlichte Leben lebendiger Dinge, aber es war eben… schlicht.
    Bei alternativen Formen des Lebens sah die Sache anders aus. Städte
    lebten. Ebenso Ameisenhaufen und Bienenschwärme. In diesen Fäl en
    ging das Ganze über die Summe der Einzelteile hinaus. Welten lebten.
    Götter lebten, wenn Gläubige an sie glaubten.
    Im Universum fand eine ständige Entwicklung hin zum Leben statt.
    Lebendigkeit war eine bemerkenswert weit verbreitete Eigenschaft.
    Wenn etwas kompliziert genug wurde, verlangte es sofort nach Leben.
    Auf die gleiche Weise erlangt Masse eine mehr oder weniger großzügige
    Portion Schwerkraft. Der Kosmos zeichnet sich durch die Tendenz aus,
    Bewußtsein zu entwickeln. Diese Tatsache läßt eine subtile Gemeinheit
    im Gefüge der Raum-Zeit vermuten.
    Viel eicht kann sogar Musik lebendig sein, wenn sie alt genug ist. Das
    Leben wird zur Angewohnheit.

    * Beziehungsweise auf den Fluß.

    Es heißt: Ich kriege die verdammte Melodie nicht aus dem Kopf…
    Nicht nur eine Melodie. Auch ein Pulsschlag.
    Und etwas Lebendiges möchte sich vermehren.

    T.M.S.I.D.R. Schnapper war schon bei Tagesanbruch auf den Beinen, in
    der Hoffnung, Frühaufstehern ein Frühstück in Form von alten heißen
    Würstchen verkaufen zu können.
    In einer Ecke von Kreidigs Werkstatt hatte er einen Schreibtisch aufge-
    stellt. Normalerweise hielt er nicht viel vom Konzept eines permanenten
    Büros. Es bot den Vorteil, daß man ihn jederzeit finden konnte. Al er-
    dings hatte es auch einen Nachteil: Man konnte ihn jederzeit finden. Der
    Erfolg von Schnappers ökonomischer Strategie basierte darauf, daß er
    die Kunden fand, nicht umgekehrt.
    An diesem Morgen fanden ihn ziemlich viele Leute. Die meisten von
    ihnen kamen mit Gitarren.
    »Na schön«, sagte er und wandte sich an Asphalt, der fast hinter dem
    Schreibtisch verborgen blieb. »Al es klar? Ihr braucht zwei Tage bis nach
    Pseudopolis, und dort

Weitere Kostenlose Bücher